Wirtschaftlich geht es für einige Mediatoren schlicht ums Überleben, für andere um eine ihrer Ausbildung angemessene Bezahlung und für alle letztlich um einen respektvollen Umgang, der sich auch in der Honorierung widerspiegelt. Je schlechter eine Berufsgruppe bezahlt wird, desto weniger Respekt erfährt sie. Das Honorar ist somit auch ein Baustein für den Respekt vor der Mediation als Methode. Psychodynamisch geht es um die Frage des Selbstwertes. Wie viel Selbstwert hat ein einzelner Mediator und wie viel die Community der Mediatoren? Ist dieser Selbstwert stabil oder ist er auf Sand gebaut? Kann die Mediation Anerkennung in der Gesellschaft erfahren, wenn das Honorar so gering ausfällt wie bei manch anderen schlecht bezahlten freien Berufen?
Viele Mediatoren ebenso wie Coaches zeigen sich zuversichtlich und selbstsicher – ist dies nur Fassade oder Ausdruck beruflicher Bedeutsamkeit? Wie auch immer: Nachfolgend möchte ich zwei Beispiele für Umgangsweisen mit der Honorierung von Mediation reflektieren. Diese zeigen, wie viel Energie investiert wird, um eine meines Erachtens angemessene Honorierung des Mediators ohne Not zu unterlaufen. Daneben stellt sich die Frage, ob die viel zitierte Win-win-Situation auch für Mediatoren gilt oder ob eine Konstellation, die doch für alle Beteiligten Vorteile bieten soll, für Mediatoren nicht mehr ist als schöne Theorie.
Der unselige Status quo
Der Dilettantismus-Faktor: Je niedriger die Honorare, umso mehr wird auch der Dilettantismus eines Systems zunehmen.
Der Arroganz-Faktor: Die einen verdienen gut, etwa Anwälte dank ihrer Honorarordnung, Festangestellte oder Beamte aufgrund ihres Basisberufs, die Erfolgreichen dank Erfahrung; den anderen werden die Krümel zugeschoben. Je weiter die Gruppen innerhalb eines Systems auseinanderliegen, desto weniger können sie insgesamt erreichen.
Mein Wunsch: Es bedarf innerhalb der Verbände einer substanziellen Auseinandersetzung mit der Honorarfrage und einer Unterstützung der Mitglieder bei der Durchsetzung ihrer berechtigten finanziellen Interessen.
Die Verbände gehen mit schlechtem Beispiel voran
Beispiel 1: Eine Mediationsvereinigung leitete an ihre Mitglieder eine Anfrage nach einer Wirtschaftsmediation weiter. Dabei hatten die Auftraggeber „ein Maximalbudget von 100 €/Std. für den Mediator“ festgesetzt. Statt vonseiten der Geschäftsstelle zu schreiben: „Ich hoffe trotzdem, dass die eine oder der andere sich vorstellen kann, den Fall zu übernehmen“, hätte ich erwartet, dass klar ist: Eine Mediation und erst recht eine Wirtschaftsmediation zu einem Honorarsatz von 100 €/Std. kann nicht kostendeckend durchgeführt werden, oder wie Kollege Hans-J. Steiner schrieb: „Warum darf das dann beim Mediator nicht adäquat kosten, wenn es schon den Vorteil einer schnelleren und tragfähigeren Lösung hat?“ (Steiner 2018: 78).
Die mediationssuchende Person zeigt sich auf mein Schreiben hin jovial und bietet „ein begrenztes (aber sicher dennoch wertschätzendes) Budget“ an. Wertschätzend? So wertschätzend, dass niemand davon leben kann. Oder mit den Worten von Hans-J. Steiner: „Die [...] verkennen: Der Mediationsstundensatz ist KEIN Einkommen, sondern UMSATZ! Wer Mediation für 100–150 €/Std. anbietet [...] bringt Geld mit“ (ebd.). Es gibt weitere Stimmen, die diese Aussage bekräftigen. So empfiehlt zum Beispiel die Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte an der Handelskammer Hamburg ein Honorar mit einer Spanne von 150 bis 350 €/Std. (HK Hamburg), dieser (eigentlich vorhandene) Standard wäre hier durchzusetzen gewesen.
Beispiel 2: Die Mediationszentrale Hamburg gibt auf ihrer Internetseite (Stand: 1. November 2018) Honorarvorschläge mit äußerst niedrigen Beträgen an (siehe „Kosten der Mediation“). Am 13. November 2017 habe ich das Problem dieser Honorarübersicht auf der Mitgliederversammlung der Mediationszentrale geschildert, einen Vorschlag zur Änderung vorgetragen und mehrfach E-Mails versendet und telefoniert, um eine Änderung voranzubringen. In meinem Änderungsvorschlag strich ich den Hinweis auf kostenlose Angebote sowie das Honorarangebot im sogenannten psychosozialen Bereich, denn: Psychologische Psychotherapeuten arbeiten über die Kassenärztliche Vereinigung mit einem Durchschnittseinkommen von 60.000 € oder werden im Angestelltenverhältnis nach TÖD (Tarifvertrag Öffentlicher Dienst) 13/14 bezahlt mit einem Einstiegsgehalt von circa 2.800 € bis zu 8.500 € monatlich (vgl. Karista). Mediatoren verdienen solche Beträge nur im Ausnahmefall. Deshalb ist dieser Vergleich unzulässig und berufsschädigend. Ich werde gefragt: „Warum verlangen Sie mehr als ein Therapeut?“ Dabei muss man bedenken, dass eine Kurzzeittherapie 24 Sitzungen beinhaltet, eine Langzeittherapie sogar bis zu 200 Sitzungen. Und das alles ohne Akquise. Das Einzelstundenhonorar eines hoch qualifizierten Psycpeuten sollte nicht dazu dienen, uns Mediatoren in den Keller zu verhandeln. Auch helfen Hinweise auf kostenlose Angebote den Mediatoren nicht, sondern nur den Einrichtungen, die kostenlose Angebote anbieten – auf dem Rücken von schlecht bezahlten Mediatoren. Bis heute, zum Redaktionsschluss dieses Artikels im Oktober 2018, hat sich auf der Website der Mediationszentrale Hamburg nichts getan.
Die Honorarfrage sollte Chefsache sein!
Erklären wir die Honorarfrage daher zur Chefsache und sorgen wir für ein angemessenes Einkommen für alle Mediatoren! Die Mediation selbst braucht Rückhalt in der Gesellschaft und Mediatoren sind essenziell für diese Methode der Streitbeilegung, die so genial ist wie das Fahrrad für den Nahverkehr. Eine Win-win-Situation wird es erst geben, wenn Mediatoren von ihrer Arbeit auch leben können. Von einem allseitigen Gewinn kann gesprochen werden, wenn eine mediative Leistung möglich wird, ohne dass Mediatoren sich durch Einkünfte in anderen Bereichen sponsern müssen. Querfinanzierungen darf es durchaus geben, aber wenn sie zur Regel werden, wird dieses Geschäftsgebiet von einem selbstständig tätigen Mediator aufgegeben werden (müssen). Je mehr Mediatoren sich durch Drittaufträge finanzieren, umso unglaubwürdiger wird die Berufsgruppe insgesamt und desto weniger wird die Methode Mediation in der Gesellschaft und von Unternehmen akzeptiert. Frei nach dem Motto: „Das macht doch keiner“, weil es nämlich gar nicht funktioniert!
In ihrem Bericht über eine wissenschaftliche Studie im Auftrag der Deutschen Stiftung Mediation schreiben die Autorinnen: „In Fortführung der GANDALF-Studie […] wurden Mediatoren und Medianden erneut zu ihrer Einstellung gegenüber der Mediation befragt. Die längsschnittlichen Ergebnisse zeigen hierzu eine weiterhin hohe Affinität. Allerdings werden die Mediatorenurteile tendenziell über die Zeit etwas kritischer, während die Mediandenurteile positiver ausfallen bzw. unverändert bleiben. [...] Die Studie gibt Anlass zur Hoffnung, dass professionelle Mediation von den Konfliktparteien positiv erlebt wird und sich diese positive Bewertung über die Zeit sogar noch verstärkt“ (Kals / Ittner / Freund 2018).
Möge auch die Bereitschaft steigen, Mediation angemessen zu honorieren.
Jochen Waibel: Gründer und Geschäftsführer des Hamburger Instituts Stimm- haus® (www.stimmhaus.de). Er ist Wirtschaftspsychologe und verfügt über langjährige Erfahrung als Mediator, Coach, Dozent und Autor (zuletzt: Kommunikationskultur in Familienunternehmen, 2016).
Literatur
HK Hamburg (o. D.): Mediation bei der Hamburger Mediationsstelle für Wirt- schaftskonflikte. Online abrufbar unter: https://www.hk24.de/produktmar- ken/beratung-service/recht_und_steuern/mediation/mediationsstelle-wirt- schaftskonflikte/1168240.
Kals, Elisabeth / Ittner, Heidi / Freund, Susanne (2018): Expertenmeinungen zur Mediation: ein Längsschnitt. Die Mediation 3, S. 12–14.
Karista (o. D.): Psychologische/r Psychotherapeut/in. Gehaltsvergleich – Brutto- einkommen. Online abrufbar unter: http://www.karista.de/berufe/psycho- logischer-psychotherapeut/gehalt/.
Mediationszentrale Hamburg e. V. (o. D.): Kosten der Mediation. Online abrufbar unter: https://www.mediationszentralehamburg.de/was-ist-mediation/kosten- der-mediation/.
Steiner, Hans-J. (2018): Zur angemessenen Honorierung des Mediators. Die Mediation 2, S. 77 f.