Weihnachtszeit – Partnerzeit?

Weihnachten ist zwar ein Fest der Liebe. Es verheißt Friede auf Erden und im trauten Heim – und den Mitmenschen, den lieben Verwandten und Bekannten, ein Wohlgefallen. Aber im Bett ist es zumeist stille Nacht. Weihnachten ist eher etwas für Besinnlichkeit als für Sinnlichkeit, eher familiär als zweisam, eher chaotisch als erotisch, eher hektisch als leidenschaftlich. Animositäten, seelische Verletzungen, Konflikte sind nicht ausgeschlossen.

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Partnerbedingte Selbstmorde sind in der Weihnachtszeit selten, sie werden aufs kommende Jahr verschoben. Trennungen riskiert kaum einer, die brüchigen Partnerschaften brechen erst nach dem Fest auseinander. Kleinere Konflikte werden in der Vorweihnachtszeit gern geheilt oder beiseitegeschoben. Der Advent verheißt Harmonie. Der helle Glanz der Lichter überstrahlt das Dunkle in der Partnerbeziehung oder erleuchtet manchen und bringt Licht in die sexuelle Finsternis. Liebesspiel unterm Weihnachtsbaum ist keine Sünde. Aber leider lassen die großen und kleinen Pakete dafür oft keinen Platz.

Frust und Defizite

Die meisten Menschen sind zu Weihnachten hochsensibel und überempfindlich. Die kleinste Verletzung – und schon bricht Trauer über Defizite auf, auch über Defizite in der Partnerschaft, über ungelebte Gefühle, über unerfüllte Wünsche. Aus feierlicher Stimmung wird dann Verstimmung, und manche fröhliche Stimme verstummt. Partnerfrust am Morgen nach der Bescherung.

Gerade zu Weihnachten werden Nähe und Wärme gesucht. Nicht alle haben oder finden sie. Das Innerste ist aufgewühlt, aber manchen scheint die Hoffnung auf Erwiderung gering. Dann suchen sie Ersatz, etwa in der Warenwelt, auf dem Markt des Vielen, im Kerzenlicht. Und manchmal auch im Rotlicht. Dort herrscht mittags vor Weihnachten Hochbetrieb.

Ausscheren und Flüchten

Andere wiederum drücken keinen, sondern drücken sich vor allem und allen, insbesondere aber vor Gefühlen, vor jeglichen Ritualen und davor, dass nach Weihnachten ein Kaufrausch ausgeschlafen werden muss. Nur ja keine nostalgischen Erinnerungen, keine Sentimentalitäten, keine falsche Träne und kein falscher Ton. Der ginge zu sehr ans Gemüt.

Ordnung durch Rituale und Plan

Ein anderer Partnerschaftstyp folgt den Ritualen und ist stolz und beruhigt, wenn alles so gelingt, wie es sich gehört, wie es seine Ordnung hat. Die Grundlage für das weihnachtliche Gelingen ist der Plan, das wissen die Weihnachtsweisen. Er strukturiert die Weihnachtszeit und schafft Fixpunkte. Wer sich beim Auspacken der Geschenke Zeit nimmt und daraus eine kleine, gemeinsame Kulturveranstaltung macht, hat mehr davon, als der, der nur für sich Geschenk um Geschenk auswickelt und sich nicht mit anderen freuen kann.

Sich freuen

Die meisten Menschen haben weder eine verbissene, noch eine verbiesterte, noch eine coole Einstellung zu Weihnachten. Sie freuen sich auf das Fest, aufs Essen, auf die Geschenke, auf den Lichterbaum und die Pyramide, auf Spiele und Gespräche, auf Lachen und Singen, auf das gute Glas Wein und das schöne Miteinander – und ein bisschen auch darauf, dass alles glücklich vorbeigeht.

Mehrgenerationenweihnacht

Eigentlich gehören Weihnachten und der Weihnachtsmann den Kindern – sofern man welche hat und sofern sie nicht weit weg sind. Wer würde es übers Herz bringen, Weihnachten entgegen dem Kinderwunsch ausfallen zu lassen? Die Kinder wiederum brauchen zu Weihnachten wenigstens eine andere Generation: die Eltern, besser auch die Großeltern, später vielleicht schon die eigenen Kinder. Die Entscheidung, wer wann zu wem geht, ist manchmal nicht einfach. Goldene Regel: Ab einem bestimmten Alter der Kinder feiert die junge Familie im eigenen Heim den Weihnachtsabend, allein oder vielleicht mit den Eltern oder Großeltern. Aber wie man letztlich auch plant, es geht ja immer um etwas Positives, um Begrüßen, um Dasein, um Gestaltung; und wer Geschwister hat, der empfindet ihnen gegenüber gerade zu Weihnachten eine besondere Verbundenheit, sofern er sich schon immer mit ihnen verstanden hat.

Singleweihnacht

Der Single gerät vor Weihnachten in Panik. Wird er noch rechtzeitig einen oder gar den richtigen Partner finden? Zwischen Hoffnung und antizipierter Enttäuschung wird die letzte Chance gesucht und – weil es auch vielen anderen so geht – nicht selten auch gefunden. Weihnachtspartnerschaften sind besonders stabil. Das Ende der Adventszeit bedeutet dann das Ende der Singlezeit und einen partnerschaftlichen Neubeginn. Der erste gemeinsame Tannenbaum nadelt bald, aber die Liebe bleibt frisch.

Der Single, der keinen festen Partner will, und auch der, der ungewollt partnerlos ist, haben andere Sorgen. Weihnachten allein und einsam? Das wäre nicht auszuhalten. Also auf zu Freunden, Bekannten, Verwandten, zum Urenkel oder zur Uroma, die ist vielleicht die beste von allen.

Kein Entrinnen

Weihnachten ist unser am intensivsten empfundenes Fest – und das längste. Mindestens vier Wochen im Jahr ist Weihnachtszeit. Das macht bei einem 60-Jährigen fünf Lebensjahre aus, fünf Jahre Weihnachten.

Weihnachten hat keine Alternative, genauso wenig wie die Liebe. So wie wir kulturell geworden sind, brauchen wir Weihnachten und brauchen wir die Liebe. Sonst wären wir nichts. Wir wissen: Auch am Heiligen Abend wird geschossen, im Fernsehen und in der Realität. Aber wir neigen dazu, Weihnachten nicht zurückzuschießen. Wir möchten anderen eine Freude bereiten. Wir möchten glücklich sein, und wir möchten, dass der andere glücklich ist. Und vielleicht zurücklächelt.

Über den Autor

Prof. Dr. habil. Kurt Starke
Soziologe, Sexualwissenschaftler und Partnerschaftsforscher. Er war Forschungsleiter am Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig und hat in großen empirischen Untersuchungen an die 70.000 Personen befragt

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