„Das fragt man nicht! “ – Aus der Reihe „Kommunikation im Konlikt: Fragen statt Ratschläge?!“

von Bernhard Böhm, M.M.

Wer unbedacht Fragen stellt, kann sich schnell „die Zunge verbrennen“. Zumindest dann, wenn er Tabus bricht. Tabus schützen. Wenn aber etwas nicht thematisiert wird, kann auch nicht darüber geredet werden. Veränderung ist nicht möglich. Aus Schutz wird Macht! Vielleicht sollten wir hin und wieder Tabus infrage stellen!

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„Die letzten Tabus sind gefallen“

Leben wir wirklich in einer tabufreien Zeit, wie es uns gelegentlich suggeriert wird? Ich denke nein! Nach wie vor gibt es Tabus, über die wir nicht sprechen. Auch und gerade in Unternehmen: psychische Krankheiten, Homosexualität, Sucht, Überlastung, Überforderung oder Konflikte. Tabuthemen gibt es viele. Auch der Bereich der Political Correctness oder ideologische Tabus zählen dazu.

Tabus sind nicht direkt verbotene Handlungen oder „Kommunikationsverbote“. Sie basieren meist auf nonverbal vereinbartem Verhalten. Verbote können angesprochen, diskutiert und deren Sinn infrage gestellt werden. Tabus hingegen entziehen sich der Diskussion. Wer sie anspricht, tappt schnell in das berühmte „Fettnäpfchen“ – oder die Fritteuse.

Vor- und Nachteile von Tabus

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welche Tabus in Ihrem Unternehmen, Team oder in Ihrer Familie bestehen? Jedes System hat seine eigenen Tabus! Sie sind nicht leicht zu erkennen. Dabei gilt: je größer das System, umso stärker die Macht der Tabus. Ein Unternehmen kann seine ganz speziellen „Tabuzonen“ haben. Diese schützen ein Thema vor Diskussion und Infragestellung. So können beispielweise Menschen vor offener Diskriminierung bewahrt werden, indem ihre psychische Erkrankung nicht angesprochen wird. Oder es werden „Mächtige“ wie etwa Vorgesetzte geschützt, weil ihnen unangenehme Fragen erspart bleiben.

Kehrseite dieses Schutzes sind Beschränkungen, Denkverbote und eingeschränkte Handlungsräume. Oder „versteckte“, subtile Handlungen, die den Tabubruch nicht sofort als solchen erkennen lassen.

Die rote Linie ist überschritten!

Kommen Tabus direkt zur Sprache, wird es meist emotional. Die Ansprache wird als Grenzüberschreitung erlebt. Selbst wenn Tabus und ihre Verletzung dem Gesprächspartner nicht bewusst sind – was gerade im interkulturellen Kontext häufig der Fall ist –, darf er nicht mit Verständnis rechnen. Denn es gibt anders als bei Verstößen gegen explizite Regeln keine eindeutigen Lösungsmechanismen. Häufig wird die Kommunikation und Beziehung abgebrochen, der „Tabubrecher“ verstoßen, gemieden oder verachtet.

Tabus als Entwicklungsbarriere

„Es gibt Dinge, über die spreche ich nicht einmal mit mir selbst“, sagte einst Konrad Adenauer. Bei derartigen Tabus handelt es sich meist um solche, die wir uns selbst setzen – und mit denen wir uns schützen. Genaues Hinsehen fällt schwer, denn der Blick in den Spiegel kann schmerzhaft sein. Somit verhindern unsere „Schranken“, blinde Flecken zu erkennen und zu hinterfragen.

Hinterfragen: Ja, mit „Vorsicht“

Das Erkennen von Tabus kann spannend sein. Es ermöglicht neue Blicke, kann Potenziale freisetzen. Manchmal platzt erst dann der Gordische Knoten, wenn etwas „ausgesprochen“ wurde. Und die offene Ansprache entzieht Demagogen frühzeitig den Boden. Aus dem Verweis, „darüber dürfe man ja nicht reden“, lässt sich kein Profit mehr schlagen. Manche „Tabufragen“ können aber auch verletzen und eine unabsehbare Wirkung und Dynamik entfalten. Hier ist Vorsicht geboten! Und manchmal reicht schon der Austausch in der Gruppe darüber, welche Fragen wir uns lieber nicht stellen sollten – weil sie Tabus berühren.

Übrigens:
Dieser Artikel stammt aus der Reihe „Kommunikation im Konlikt: Fragen statt Ratschläge?!“ und wird mit jeder neuen Ausgabe unseres Fachmagazins fortgeführt.

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