Seit einigen Monaten spürt man als Dienstleister für Berater, dass viele im B2B-Bereich tätige Berater und Trainer sowie Coaches und Speaker zunehmend nervös werden. Sie klagen zum Beispiel in Telefonaten regelmäßig darüber, dass ihre B2B-Kunden immer zögerlicher und zurückhaltender mit der Vergabe von Aufträgen würden – unter anderem aufgrund des Dauerbrenners Brexit sowie der von Donald Trump angezettelten Handelskonflikte und politischen Konflikte. Und größere Projektaufträge, die würden sie fast nicht mehr vergeben, da selbst die Unternehmensführer oft nicht wüssten, wohin mittel- und langfristig technologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich die Reise geht.
Die Auftragsbücher mancher Berater leeren sich
Deshalb erhalten Marketingunterstützer für Berater auch vermehrt Anfragen von Beratern, denen sprichwörtlich der Kittel brennt – weil absehbar ist: In drei, vier Monaten sind ihre Auftragsbücher (fast) leer. Also fällt ihnen plötzlich wieder ein „Da gibt es doch so eine Disziplin, die Marketing (und Vertrieb) heißt“ – zumal ohnehin der Monat Oktober angebrochen ist, von dem viele Berater noch glauben „In ihm machen die Unternehmen ihre Budgets fürs Folgejahr“, weshalb sie in diesem Monat Jahr für Jahr in eine operative Hektik verfallen.
Krise oder Umstrukturierungsprozess?
Zweifellos stecken einige Branchen – wie zum Beispiel die Automobil- oder Finanzbranche – in Deutschland zurzeit in einer (Dauer-)Krise. Doch ob die deutsche Wirtschaft in einer Krise steckt, offen gesagt, ich weiß es nicht. Eher scheint es mir, ein Umstrukturierungsprozess zu sein, der als Krise empfinden wird und den gewisse Beratergruppen – insbesondere solche, deren Leistungen aus Unternehmenssicht „Nice to have“ sind – als „Krise“ erleben.
Artikel „Krise als Chance“ sind wieder gefragt
Dies schlägt sich auch in den Themen nieder, zu denen die Berater von PR-Unterstützern wie uns gerne Artikel in den Print- und Online-Medien platziert hätten. Schrie vor drei, vier Monaten gefühlt noch alle Welt nach Artikeln zu Themenkomplexen wie „Agilität“, „Digitale Transformation“ und „New Work“, so poppen nun solche Themen auf wie „Krisenmanagement“, „Turnaround“, „Prozess-Optimierung“ und „Preise verteidigen“. Selbst Klassiker wie Business Reengineering sind plötzlich wieder gefragt.
Und lautete vor drei, vier Monaten noch der Tenor der meisten Artikel „die Führung…“, „die Kultur…“, „der Mindset muss sich ändern“, so lautet nun der Grundtenor „Die Krise als Chance erkennen und nutzen“.
Alte Krisen-Artikel aus der Schublade holen
Für PR-Agenturen wie uns, denen ihre Stammkunden schon seit mehr als 10 Jahren die Treue halten, ist es recht einfach, kurzfristig solche Artikel zu schreiben und in Zeitschriften zu platzieren. Hierfür müssen sie nur in ihren Archiven nachschauen, welche Artikel sie 2008 nach Ausbruch der Finanzkrise für ihre Kunden verfasst haben und die passenden Manuskripte etwas aktualisieren. Danach können sie diese erneut Medien zum Veröffentlichen anbieten.
Ist die Krise wirklich für jeden eine Chance?
Das tun auch wir. Die einzige Frage, auf die wir und unsere B2B-Kunden in unseren „Krise-als-Chance-Artikeln“ noch immer keine überzeugende Antwort gefunden haben, ist: Wie vermittelt man den Frauen und Männern, die bei den „krisenbedingten“ Umstrukturierungsmaßnahmen nicht zu den „Survivor“ zählen, sondern entlassen werden, glaubhaft, dass die Krise für sie eine Chance ist?
Kommentar von Berhard Kuntz, Inhaber der PRofilBerater GmbH.