Aus „Beratende Ingenieure“ 9/10-2015, S. 52
Geschrieben von Dr. Heinrich Best
Welche Wege, Ansätze und Möglichkeiten es bereits gibt und welche Möglichkeiten man idealerweise anwenden sollte, um Bauprojekte einvernehmlicher zu realisieren, wird im Band „Einvernehmlich planen und bauen“ erläutert. Das Buch ist ein guter Einstieg ins Thema.
Zwei erfahrene Mediatoren und Konfliktmanagementexperten, die Ausbilder und Leiter der Steinbeis-Hochschule Berlin Gernot Barth und Bernhard Böhm, sowie sechs Fachmediatoren – Hermann Hasselmann, Hans Rzondkowski, Bernhard Keim, Holger Kummer, Werner Andres und Marco Ilgeroth, die alle aus dem Berufsfeld der beratenden Ingenieure kommen, haben sich dieses komplexen Themas angenommen. Sie sind Absolventen des ersten Lehrgangs „Fachmediator Großgruppen und Planungsprozesse im öffentlichen Bereich“, die der VBI gemeinsam mit der Steinbeis-Hochschule speziell für Ingenieure konzipiert hat. Derzeit läuft der zweite Durchgang, im April 2016 startete der dritte berufsbegleitende Zertifizierungskurs.
Das Thema ist hoch aktuell, da einerseits die Planung und Realisierung von Bauprojekten in Deutschland in den letzten Jahren auf immer größere Ablehnung und Widerstände in weiten Teilen der Bevölkerung stoßen und andererseits Planen und Bauen grundsätzlich bauextern und auch bauintern immer konfliktanfälliger und konfliktreicher geworden sind.
Das Buch ist so aufgebaut, dass die Mediationsexperten und Ausbilder Barth und Böhm eine grundsätzliche Betrachtung über Akzeptanzmanagement und Mediation vorausstellen. Warum kommt es zu Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung und wie sollte man professionell darauf reagieren und damit umgehen? Es werden Ursachen, Hintergründe, Definitionen und Prozesse von Akzeptanzmanagement und Mediation dargestellt. Aus einer idealtypischen Betrachtungsweise werden Chancen abgeleitet, gleichzeitig aber auch mögliche Stolperfallen und Grenzen von Akzeptanzmanagement und Mediation deutlich.
Die Fachmediatoren und Ingenieure betrachten dann die Themen Akzeptanzverbesserung durch Öffentlichkeitbeteiligung und Konfliktklärung durch Mediation mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung für die eigene und aus der eigenen Berufspraxis. Hasselmann untersucht den Ablauf von Planfeststellungsverfahren mit besonderem Blick auf freiwillige und festgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung. Rzondkowski entwickelt eine idealtypische Prozessstruktur der Planung und erläutert die besondere Bedeutung der jeweilig den Phasen angemessenen Informationsaufbereitung und Informationsvermittlung. Keim untersucht die Probleme bei der Vermittlung von Expertenwissen und differenziert und beschreibt die unterschiedlichen Ebenen, auf die Experten bei ihrer Kommunikation achten sollten bzw. fit sein sollten. Kummer untersucht die Meinungen und Einstellungen zu projektinterner, projektbegleitender Mediation bei Großprojekten, um die Auswirkung von Konflikten zu minimieren. Andres untersucht kritisch den Status quo der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Baugesetzbuch bzw. bei der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen und spricht sich für eine Vereinfachung der Verfahren sowie frühzeitige Kommunikation und Einbeziehung der betroffenen Bürger aus. Und Ilgeroth schließlich beschreibt ausführlich die einzelnen Schritte der Öffentlichkeitsbeteiligung mit mediativem Kommunikationsansatz bei Bauprojekten aus dem öffentlichen Raum. Seine Betrachtung gilt anschließend besonders der Kosten-Nutzen-Analyse von mediativer Begleitung.
Aus allen Beiträge wird deutlich, dass der mediative Ansatz – eine wertschätzende Einstellung, die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten ernst zu nehmen, Vertrauen durch Kompetenz, Transparenz und Offenheit herzustellen –das Buch wie ein roter Faden durczieht. Der Band kann dem interessierten Leser jeweils die andere Sichtweise der am Projekt Beteiligten klarer machen. Der interessierte Laie – vielleicht betroffener Bürger – erkennt die Komplexität und die Abhängigkeiten der Genehmigungs- und Bauprozesse. Bauexperten lernen, dass Laien sich überfahren fühlen könnten, Expertensprache und -wissen zu kompliziert vermittelt wird und damit Missverständnisse vorprogrammiert sind.
Das Buch zeigt allen an Bauprojekten Beteiligten und Betroffenen (vom Auftraggeber, den Verantwortlichen in Genehmigungsfragen über Planer und Ausführende bis zu Nutzern und Betroffenen) auf, dass einvernehmliches, effektives und effizientes Bauen durch eine mediative Grundeinstellung leichter zu realisieren wäre.
Dass Ingenieure als Fachmediatoren sich dafür einsetzen wollen, dass die andere Perspektive der Betroffenen stärker eingebunden werden soll, weckt hoffentlich die Sensibilität für diese Thema bei weiteren am Bau Beteiligten und ist gleichzeitig für Betroffene ein Indiz dafür, dass ihre Bedürfnisse zukünftig grundsätzlich stärker berücksichtigt werden sollten.
Gernot Barth/Bernhard Böhm (Hrsg.): Einvernehmlich planen und bauen. Steinbeis-Edition, Stuttgart 2015, 34,90 Euro, ISBN 978-3-95663-048-4.
Anmerkung der Redaktion:
Das Buch ist erhältlich über unseren Online-Shop, unter https://www.die-mediation.de/product/einvernehmlich-planen-und-bauen/.