von Dr. Stefan Grüll, Berlin
Am Anfang war das Wort. Für das Ende reicht heute eine WhatsApp. Jeder vierte Jugendliche im Alter zwischen 16 bis 29, dies das Ergebnis einer Untersuchung des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom e.V.; * Link zur Pressemitteilung s.u.) hält das digital übermittelte Beziehungsaus für einen geeigneten Weg, sich aus lästig empfundener Partnerschaft zu verabschieden. Jeder Fünfte hat es schon getan. Wer keinen Stil hat, kann ihn nicht verletzen. Wie sehr das Gegenüber verletzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Empathie ist ein Fremdwort und Respekt wird von Halbstarken stets lautstark eingefordert, aber nur selten gewährt.
Kurz. Kürzer. SMS. Orthographische (Un)Kenntnis verstärkt den Hang zum Kommunikationsstakkato und für den persönlichen Gedankenaustausch fehlt es – auch dies ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis – an Mut. Wo Angst herrscht, im direkten Kontakt nicht bestehen zu können, kann ein unerwarteter Anruf schnell eine Schockstarre auslösen. Die Flucht in eine Textnachricht schafft wertvollen Zeitgewinn. Entschleunigung der Kommunikation aus Sorge, die Diskrepanz zwischen Sprechgeschwindigkeit und Denkvermögen könne allzu offenkundig werden; das omnipräsente Mobilfunktelefon die zur iPhone gewordene Bedrohung des Selbstwertgefühls in Hand- und Hosentasche. Ein Drittel aller Jugendlichen telefoniert so gut wie gar nicht mehr.
Wer aber nicht mehr selbst spricht und nur noch unzulänglich schreiben kann, lässt Emojis füllen, was kryptisch Getipptes an Fragezeichen beim Empfänger hinterlässt. Entsprechend voll ist das Netz mit Interpretationshilfen, die die unüberschaubare Vielfalt der längst nicht mehr nur gelben Punkt-Punkt-Komma-Strich-Gesichter erläutern. Und so wird auch der oder die per Whats App beziehungstechnisch Entsorgte Trost in den binären Weiten des Webs finden können, wenn der lieblose Schlussakkord mit einem traurig schauenden Smily gepimpt wird. Zivilisierte Kommunikation? Temporary not available. Kein Anstand unter dieser Nummer.
*www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-Fuenfte-hat-schon-Messenger-Schluss-gemacht