Leserpost: Zur angemessenen Honorierung des Mediators

Leserpost an Die Mediation

Nach jeder Ausgabe der „Mediation“ erreichen uns viele Leserzuschriften. Für ihren Zuspruch, Anregungen und Kritik danken wir unseren Lesern ganz herzlich. Zu dem Beitrag „Der doppelte Mediationskreis“, in: Die Mediation, 2/2018, S. 44–47, erreichte uns eine Zuschrift, die wir als Anregung für weitere Diskussionen hier ungekürzt wiedergeben.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin jedes Mal ziemlich erstaunt über die fast schon naive und realitätsferne Art der Berichterstattung über angeblich erfolgreiche Mediationen. Insgesamt wäre es zu begrüßen, wenn die Berichterstatter ihre tatsächlichen Zeitaufwände und die ökonomischen Effekte für sich als Mediator (sic!) und die (angenommenen) Vorteile auf Mediandenseite quantifiziert darstellen würden. Wer nämlich nicht nur als angestellter Professor oder sonst drittbezahlter Mediator tätig wird, KANN diese Beschreibungen weder inhaltlich noch ökonomisch nachvollziehen!

Besonders krass fällt mir das im o. g. Artikel auf S. 47, linke Spalte, Mitte auf. Dort beschreibt der Autor angebliche minimale Zeitaufwände:

1. Mediationsgespräch 1:30 Std.
2. Mediationsgespräch 1:55 Std.
3. Mediationsgespräch 1:40 Std.

Damit scheint die Mediation zeitlich so günstig zu sein, dass es „billig“ wird. Welch realitätsferne Sichtweise liegt aber dieser Beschreibung zugrunde? Abgesehen davon, dass es angeblich in den Praxisruhezeiten (Pausen?) erfolgte – die ärztliche Tätigkeit wurde allein dadurch stark beeinträchtigt, dass die Ärzte sich mit ihnen fremden Themen auseinandersetzen mussten, was – gerade für Ärzte, die i. d. R. keine Ad-hoc-Übersicht über betriebswirtschaftliche, steuerliche und sonstige ökonomische Aspekte und Effekte haben, ergo per se unsicher sind – einen extrem hohen kognitiven Aufwand bedeutet, und die vorher wie nachher Patienten hatten? Da wollte ich aber nachher kein Patient gewesen sein …

De facto beschreibt der Autor aber auch viel längere und zeitlich hohe Aufwände. Mal ganz abgesehen vom grundsätzlichen Aufwand, der zu kalkulieren ist, um Akquisition und Vorhalt des eigenen Betriebes als Mediator zu bestreiten. Nun sind die Ärzte schon rechtlich verstrickt, und dann kommt der Mediator daher, überblickt gleich alles, ohne sich einlesen zu müssen, dazu die bereits konflikthaften Medianden, die sich in sagenhaften 1:30 Std. im ersten Gespräch zusammenfinden? In weit weniger komplexen und komplizierten Beratungsgesprächen habe ich i. d. R. die doppelte Gesprächszeit einzuplanen, bevor es erst einmal klar ist, wohin die Reise gehen könnte (nicht kann, könnte!). Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in solchen Konstellationen schnell 3- bis 4-stündige Sitzungen entstehen, gerade weil „die Zeit drängt“ und daher diverse Aspekte beidseits und in Ruhe diskutiert und beleuchtet werden müssen. Hier jedoch angeblich in 1:30 Std. die Konfliktsituationen erläutert, die bereits erfolgten Aktivitäten (EV), es liegen schon Alternativideen (andere Praxis) vor, und dann wird noch über negative Kapitalkonten hinreichend gesprochen? Flottes Tempo, Respekt … (Vorsicht, Ironie).

Auf S. 46, linke Spalte, Mitte beschreibt der Autor Offline-Tätigkeiten des Mediators wie Überprüfung des Entwurfes des Auseinandersetzungsvertrages, dazu braucht ein Anwalt sicher 2–3 Stunden, der natürlich bezahlt werden muss. Sicher sind da noch weitere Offline-Aktivitäten angefallen. Da brauchts für eine kurze E-Mail durchaus mal 20–30 Minuten … oder ein Telefonat kann auch länger ausfallen. Der Mediator erwähnt diesen Zeitaufwand nicht. Erbringt er diese Leistungen kostenlos? Und wenn ja, wieso? Dasselbe bei der „Fortschreibung des Auseinandersetzungsvertrages“, inklusive Übersendung an die Parteien und ihre Anwälte – kostet das nichts? Was ist dabei eigentlich mit den Reisezeiten und sonstigen Nebenkosten des Mediators? Fährt der auf eigene Kosten dahin? Wer zahlt sein Hotel?
Im 3. Mediationsgespräch, welches angeblich nur 1:40 Std. gedauert haben soll, nimmt auch noch ein Anwalt teil, der parallel per E-Mail und telefonisch extern kommuniziert – so etwas ist sehr zeitaufwändig und verlangsamt den internen Gesprächsprozess zwangsläufig. Offene Fragen werden da verbindlich besprochen – in 1:40 Std. kann das nur ein Checklist-Abhaken gewesen sein, ein Abnicken, eine inhaltliche Klärung erscheint mir da zeitlich nicht repräsentiert. Gerade Aspekte wie steuerliche Fragen und auch die kassenärztlichen Fragestellungen sind erfahrungsgemäß sehr zeitaufwändig, und wenn die verbindlich geklärt werden sollen, wird sich niemand auf mündliche Zusagen verlassen können und wollen. Zudem hat der Mediator noch ganz nebenbei „notwendige Änderungen und Ergänzungen in den Vertragsentwurf eingearbeitet“ – ziemlich viel Stoff für so kurze Zeit. Das wird dann verschickt – und der externe Anwalt, der das ja auch erst verbindlich klären muss, hat dafür keine Zeit verwendet? Die in dieser Zeit stattgefundenen weitergelaufenen internen Gesprächszeiten werden nicht berechnet?

Nach meinem Dafürhalten mag diese Mediation innerhalb von 14 Tagen abgewickelt worden sein, jedoch sind dabei weit mehr als die angegebenen 5 Zeitstunden angefallen. Ich schätze, mindestens das Doppelte bis Dreifache (allein diese E-Mail hat über 1 Std. gedauert, und ich tippe flott …). Kalkuliert man die Overheads des Mediators betriebswirtschaftlich sauber dazu, und hinterlegt man nicht die „üblichen“ allgemein angenommenen Sozialstundensätze, zu denen kein kompetenter Fachmann/Fachfrau arbeiten kann, will und wird, sondern den dem Verantwortungsumfang und Know-kow des Mediators angemessenen Stundensatz von 200–300 €/Std., kommt man wohl der ökonomischen Realität etwas näher.
Ich expliziere das, weil ich immer wieder in der Realität erlebe, dass ökonomisch/betriebswirtschaftlich blauäugig unrealistisch gearbeitet wird, und die tatsächlichen Kosten und Einnahmenotwendigkeiten des Mediationsfalles nicht antizipiert, geschweige denn berichtet werden! Illusionen werden hier genährt – unterstellen wir mal 150 € bei angegebenen 5 Zeitstunden (oft wird ja für 100–130 €/Std. gearbeitet).

Wie lebt man von sowas? Oder ist Mediator mit all den Schulungs-, Weiterbildungs-, Reportage,- Verantwortungs-, Haftungsobliegenheiten u. v. m. ein eher ehrenamtlich zu verstehender Nebenjob? Wer soll einen Nebenberufler ernst nehmen? Ist also der Mediator nebst seiner Tätigkeit völlig überschätzt, weil nicht wertgeschätzt, jedenfalls ökonomisch?

Durch Festanstellung oder sonstige Einkommen querfinanzierte Universitätsprofessoren oder sonstige Mediatoren mit Haupteinkommen können sich vielleicht ehrenamtliches Mediieren leisten – es ist aber aus meiner Sicht nicht fair, die Situation als Mediator und damit qualifiziert erbrachte Hauptleistung erstens darzustellen, als wenn immer alles lehrbuchhaft „flutscht“, und zweitens als sei Mediation deswegen vorteilhaft, weil sie „billiger“ sei (und die Medianden Schlange stehen, das ist nämlich auch nicht der Fall, was eine Hochrechnung auf Wochenarbeitszeit erübrigt!). Das mag im Vergleich einer strittigen Auseinandersetzung sein – nur: Die Kosten der strittigen Auseinandersetzung bemerkt der Mediand dank Mediation ja nicht, es fehlt ihm die Vergleichsgröße. Und selbst WENN er bereits rechtsanwaltlich über sein Kostenrisiko bzw. die im Streitfall fix zu erwartenden Kosten informiert ist, hat Mediation immer noch das Billigimage:

Beispiel 1: Scheidung: Anwälte haben beiden Parteien Kosten p. P. i. H. v. 15.000 € avisiert. Mediation wird seitens der Medianden für zusammen 5.000 € als „viel zu teuer“ abgelehnt.

Beispiel 2: Familienstreit um Immobilien im Wert von 2,5 Mio. €, geschätzte Anwalts- und sonstige Kosten (aufgrund des Konfliktes) ca. 35–40.000 € für Anwälte usw. Erwünscht seitens der Medianden ist mehrtägige Anreise zum Standort der Immobilie, Gespräche mit den Anwälten usw. usw. – als vom Mediator vorab erbetene Abschlagszahlung i. H. v. 10.000 € für geschätzt 5–6 Arbeitstage inkl. Reise, Spesen und Mediationszeit wird abgelehnt: zu teuer …

Das sind keine Einzelfälle besonders geiziger Ignoranten, sondern die Regel! Mediation gilt einerseits als Wunderwaffe, aber vor allem, um zum gleichen Ergebnis zu kommen wie gerichtlich, nur billiger …
Ich will damit deutlich machen, dass neben der inhaltlichen Perspektive der Mediation auch und zunehmend eine ökonomische Notwendigkeit zur Realisation adäquater Einnahmen besteht, und dass diese m. E. bislang zu wenig kommuniziert wird. Der WERT der Mediation ist unbekannt und wird durch betriebswirtschaftlich illusorische „Schätzpreise“ von Leuten, die ihren eigenen Festangestellten-Stundenlohn hochrechnen, kannibalisiert. Die sagen dann: „80 € sind doch viel Geld“ – und verkennen: Der Mediatorenstundensatz ist KEIN Einkommen, sondern UMSATZ!! Wer Mediation für 100–150 €/Std. anbietet und agiert, wie in diesem Bericht beschrieben, bringt Geld mit. Zudem es bei einer gutgehenden Arztpraxis mit 2 Ärzten um erhebliche Bestands- und Praxiswerte geht, die bei Anwälten freudig glänzende Augen hervorrufen. Warum darf das dann beim Mediator nicht adäquat kosten, wenn es schon den Vorteil einer schnelleren und tragfähigeren Lösung hat??

Freundliche Grüße
Dipl.-Psych. Hans-J. Steiner
Mediator, Counselor & Coach (Berlin/Erding)

 

Unser Autor Frank H. Schmidt äußert sich dazu wie folgt:

Zum Kommentar des Herrn Kollegen Steiner nehme ich gerne Stellung, da er ein wichtiges Problem zutreffend anspricht: Die hochwertige Arbeit des Mediators verdient eine angemessene Vergütung. Eine solche kann in der Tat nur erzielt werden, wenn zum einen sämtliche Leistungen des Mediators abgerechnet und zum anderen ausreichend hohe Stundensätze vereinbart werden.

Beides ist im Praxisfall „Der doppelte Mediationskreis“ geschehen. Die Zeitangaben für die drei Mediationsgespräche zeigen nur, dass die zeitliche Belastung der beiden Ärzte äußerst gering gehalten werden konnte – ein grundsätzlich wichtiges Argument für Mediation. Keine Aussage enthält der Artikel zum gesamten Zeitaufwand und zu der sich daraus ergebenden Vergütung, da dies nicht sein Thema war.

Diese Informationen gebe ich an dieser Stelle gerne. Im vorliegenden Fall fielen über die 5 Stunden und 5 Minuten der Mediationssitzungen hinaus weitere 15 Stunden und 25 Minuten Arbeitszeit an: durch rechtliche Überprüfungen, durch den informellen „doppelten Mediationskreis“ mit den Anwälten von rund 4 Stunden, durch die Fortschreibung des Auseinandersetzungsvertrages und durch die Abstimmung mit einem zusätzlich konsultierten Steuerberater.
Die hier beigefügte anonymisierte Kostenabrechnung dieses Falles macht am einfachsten das zeitliche Verhältnis von Mediationsgesprächen und Hintergrundarbeiten transparent. Diesbezüglich ein wichtiger Hinweis: Auch kleinere Leistungen sollten stets erfasst werden, sie summieren sich auf. Erforderlich ist, im Vertrag zur Durchführung der Mediation eine entsprechend differenzierte Abrechnung zu vereinbaren. Mein diesbezüglicher Standardvertrag, der durchweg Akzeptanz findet, ist beispielhaft unter Vertrag zur Durchführung der Mediation_Muster einzusehen.
Die Vergütung von 6.281,71 € war aus meiner Sicht angemessen. Dies gilt sowohl für den Mediator als auch für die Medianden. Es erfolgte in diesem Fall auch umgehende Zahlung.

Nichtjuristische Mediatoren könnten allerdings in einem solchen Fall die umfänglichen juristischen Arbeiten nicht erbringen und abrechnen. Umso mehr sollte stets auf angemessene Stundensätze geachtet werden.
Dr. Frank H. Schmidt
Mediator und Rechtsanwalt (Nürnberg)

 

 

 

Herrscher der Zeit

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