Umgangs-ABC für I-Dötzchen. Mediatorenpower als Integrationsturbo

Mediatoren können den Integrationsturbo ankurbeln, meint Dr. Stefan Grüll. Wie genau? Indem sie dabei behilflich sind, Schülern die an deutschen Schulen unterrichtet werden, Kulturtechniken zu vermitteln.

Dr. Stefan Grüll. Berlin

 

Simplifizierer seien gewarnt. Vor Illusionisten wird gewarnt. Demagogisiernde Empörung wäre schändlich und relativierende Beruhigung mit in Integrationsdebatten überstrapaziertem Einzelfallplacebo nicht weniger schädlich. Denn hinter den Zahlen, die dieser Tage in der Berliner Lokalpresse für Aufsehen sorgten, stehen Kinder mit ihren Träumen, Wünschen, Hoffnungen, vor allem aber auch mit ihrem höchstpersönlichen Recht auf Teilhabe an den Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft jedem und jeder anzubieten hat, der/die in Deutschland zuhause ist; dauerhaft oder auf Zeit. Chancengleichheit am Start ist originäres Kinderrecht, dessen institutionalisierte Verletzung eine Schande für die politische Klasse gleich welcher Parteizugehörigkeit ist.

Worum geht es?

Integrationsturbo an Schulen

Quelle: Fotolia© | Jonathan Stutz

Von 103 Kindern, die in diesem Sommer an einer Berliner Grundschule im Bezirk Neukölln eingeschult worden sind, hat ein Kind deutsche Eltern. Von den 109 Erstklässlern einer anderen Grundschule dieses Bezirkes kommen zwei Kinder aus einem Haushalt mit Deutsch als Familiensprache. Der Blick in den städtischen Einschulungsatlas bestätigt schnell die Vorahnung: 70 Prozent der Schulanfänger haben sprachliche Defizite. Über die Gründe zu spekulieren, ist hier nicht der Ort. Hier soll es darum gehen, was ausserhalb der Politik getan werden kann, deren Versagen nicht zu rechtfertigen und allenfalls schwer zu entschuldigen ist: Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Schwerer nur wiegt noch die anhaltende Ignoranz gegenüber verschuldeter und geduldeter Fehlentwicklung. Die Zeche zahlen die Kinder, und zwar alle! Der Preis ist ihre Zukunft, die der deutschsprachigen und die der (noch)nicht deutschsprachigen. Ein moralischer Straftatbestand!

Was kann getan werden; ganz praktisch? Von uns! Stichwort ‘Integrationsturbo’

Integrationsturbo an Schulen

Quelle: Fotolia© | Oksana Kuzmina

Dem Hilferuf der Schulleitungen begegnet die Verwaltung mit Extrastunden Extra-Sprachbildung. Immerhin ein Anfang, der die Dramatik aber nur nochmals deutlich macht. Denn jetzt erst lernen – und dies das wörtliche Zitat einer Schulleiterin – „die  Kleinen Dinge, die ihnen bisher unbekannt waren, etwa: Wenn man jemandem begegnet, dann grüßt man.“ Die Lehrerin nennt das das Umgangs-ABC; traurig bedrückende Realität in der natürlich nicht auf Berlin beschränkten Erziehungsdiaspora, die selbstredend auch in deutschen Haushalten anzutreffen ist. Einschlägige Fernsehformate sind täglich in der Republik versendeter Beweis. In diesem Sinne bedeutet Integration in die Gesellschaft die nicht auf Migranten begrenzte Einführung in die Grundregeln zivilisierten Miteinanders.

Höflichkeit. Respekt. Achtsamkeit. Wertschätzung. Bitte und Danke. Kulturtechniken, die unverzichtbar sind, wie etwa auch, um Entschuldigung bitten zu können. Das Gegenüber wahrnehmen. Ansprechend ansprechen. Zugewandt zuhören. Mit der Fähigkeit, eigene Positionen in Ton und Inhalt angemessen formulieren zu können, muss die Bereitschaft korrespondieren, die Anliegen des Gesprächspartners aufmerksam aufzunehmen. Erfahrene Mediatorinnen und Mediatoren wissen, dass diese Selbstverständlichkeiten keinesfalls mehr selbstverständlich sind. Regeln des Umgangs zu vereinbaren, um miteinander konstruktiv kommunizieren zu können, ist für uns tägliche Praxis. Wäre es nicht eine gute Idee, Kinder anzuleiten, sich diese Techniken anzueignen und so auch die Schulen zu unterstützen, die schon genug damit zu tun haben, im Unterricht gegen die Hypothek häuslicher Defizite anzukämpfen. Wenn Schule möchte und die Politik will, sollte es an uns nicht scheitern. Mediatoren können den Integrationsturbo ankurbeln.

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