Anmerkungen zur Übergangsvorschrift des § 7 ZMediatAusbV von Roland Fritz
Die gesetzlich geregelte Zertifizierung der Mediationsausbildung wendet sich an Mediatoren unterschiedlicher Generationen. Hierfür wurden in § 7 ZMediatAusbV Übergangsbestimmungen geschaffen, deren Sinnhaftigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt. Im Fokus des vorliegenden Beitrags steht die Frage, ob und gegebenenfalls wie diejenigen privilegiert werden, die bereits seit vielen Jahren erfolgreich als Mediatoren tätig sind.
Die konsensuale Konfliktbeilegung und die Mediationsszene in Deutschland sind geprägt von den Mediatoren der ersten Generation. Viele von ihnen sind noch von US-amerikanischen Trainern in ganz unterschiedlichem Umfang ausgebildet worden. Ihrem langjährigen Engagement ist es (mit) zu verdanken, dass der Gedanke konfliktangemessener Streitbeilegung und namentlich der der Mediation in der Bundesrepublik verankert ist. Sie wie auch die meisten der dann von ihnen angeleiteten Mediatoren der zweiten Generation – mithin diejenigen, die vor Inkrafttreten des Mediationsgesetzes (26. Juli 2012) ausgebildet wurden – führen Mediationen regelmäßig durch und verfügen über einen reichen Schatz an theoretischen Kenntnissen und praktischen Erfahrungen.
Wer, wenn nicht diese durch ihre jahrelange und vielfältige Praxis ausgewiesenen Mediatoren, sollte daher in erster Linie qualifiziert sein, das Gütesiegel „zertifizierter Mediator“ zu erwerben und auch zukünftig zu führen? So hätte man es erwarten dürfen – doch die neue Verordnung verhält sich hierzu nicht eindeutig.

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Das Zertifizierungskonzept
Die Rechtsverordnung verlangt zweierlei:
- für den „Erwerb“ des Gütesiegels einen Ausbildungslehrgang von 120 Präsenzzeitstunden entsprechend dem Ausbildungskanon der Anlage und eine Einzelsupervision;
- für die zukünftige „Beibehaltung“ des Gütesiegels zwei unterschiedliche Fortbildungsverpflichtungen, nämlich
- regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen nach § 3 ZMediatAusbV (40 Zeitstunden in vier Jahren) und
- eine einmalige Fortbildungspflicht in Form von vier Einzelsupervisionen binnen zwei Jahren gemäß § 4 ZMediatAusbV.
Das Konzept der Übergangsbestimmungen
Für Mediatoren der ersten und zweiten Generation und für diejenigen, die vor Inkrafttreten der Verordnung am 1. September 2017 ausgebildet wurden, hat der Verordnungsgeber mit § 7 ZMediatAusbV spezifische Übergangsbestimmungen geschaffen. Wie aufzuzeigen sein wird, bedürfen diese der Interpretation.
Altfälle nach Abs. 1
Nach § 7 Abs. 1 ZMediatAusbV darf sich als zertifizierter Mediator bezeichnen, wer vor dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes eine Ausbildung zum Mediator im Umfang von mindestens 90 Stunden abgeschlossen und anschließend mindestens vier Mediationen durchgeführt hat. Diese Regelung umfasst die sogenannten Altfälle. Damit unterstellt der Verordnungsgeber, dass die Mediatoren der ersten und zweiten Generation regelmäßig über hinreichende Praxiserfahrung verfügen. Aus diesem Kontext folgt zugleich, dass Ausbildung und Praxiserwerb durch vier Mediationen vor dem Stichtag des 26. Juli 2012 erfolgt sein müssen.

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Übergangsfälle nach Abs. 2
§ 7 Abs. 2 ZMediatAusbV betrifft die sogenannten Übergangsfälle, also diejenigen Mediatoren, die ihre Ausbildung nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes und vor dem 1. September 2017 beendet haben. Sie müssen für den Erwerb des Gütesiegels grundsätzlich die gleichen Anforderungen nach § 2 ZMediatAusbV erfüllen wie Mediatoren, die zukünftig nach der neuen Verordnung ausgebildet werden.
Fortbildungsverpflichtung nach Abs. 3
Schließlich findet sich in § 7 Abs. 3 S. 1 ZMediatAusbV noch eine weitere Übergangsbestimmung, die die bereits erwähnten Fortbildungen und damit die Beibehaltung des Gütesiegels betrifft. Sie lautet: „In den Fällen der Absätze 1 und 2 beginnen die Fristen des § 3 Absatz 1 Satz 3 und des § 4 Absatz 1 am 1. September 2017 zu laufen.“
Diese Regelung ist allerdings nur scheinbar eindeutig, kombiniert sie doch in einem einzigen Satz unterschiedliche Adressatenkreise mit abweichenden Fortbildungspflichten und unterwirft sie zusammen einer einzigen Rechtsfolge, nämlich einem Fristenlauf hinsichtlich bestimmter Verpflichtungen.
a) Die Adressatenkreise des Abs. 3
Die Adressatenkreise umfassen zum einen die Mediatoren der ersten und zweiten Generation, deren Ausbildung sich hinsichtlich Zeit und Inhalt von den Ausbildungsverpflichtungen der Verordnung unterscheidet, dafür aber einen entsprechenden Praxisbezug aufweist (sogenannte Altfälle, s. o.), und zum anderen diejenigen Mediatoren, die nach Erlass des Mediationsgesetzes und vor Inkrafttreten der Verordnung bereits nach den aktuellen Anforderungen des § 2 ZMediatAusbV hinsichtlich Dauer, Inhalt und Einzelsupervision ausgebildet sein müssen (sogenannte Übergangsfälle, s. o.).
b) Die unterschiedlichen Fortbildungen
Es sind zwei völlig unterschiedliche Fortbildungen, auf die sich die Vorschrift bezieht:
Zum einen eine einmalige Qualifizierung, die im Anschluss an die spezifische Ausbildung nach § 2 ZMediatAusbV zu erbringen ist und die mithilfe eines Dritten – des Supervisors – den Praxistransfer durch vier Einzel(Fall-)Super-visionen unterstützt und quasi „abschließt“. Einzelsupervision meint in diesem Kontext, dass konkrete Mediationsfälle des jeweiligen Mediators supervidiert werden, nicht hingegen, dass dies in einem bestimmten Design zu geschehen hat.
Zum anderen eine sich regelmäßig wiederholende „berufslange“ Qualifizierung für alle zertifizierten Mediatoren, wie sie auch andere Berufsbilder kennen: Der Mediator soll für Veränderungen von Methoden und Techniken sowie für gesellschaftliche Implikationen gewappnet sein, um die Parteien stets in sachkundiger Weise durch eine Mediation führen zu können.
Auslegungsalternativen
Ausgehend hiervon ergibt der scheinbar eindeutige Wortlaut des § 7 Abs. 3 S. 1 ZMediatAusbV, der Alt- und Übergangsfälle hinsichtlich der Fortbildungspflichten gleichstellt, wenig Sinn. Naheliegender ist vielmehr die Annahme, dass es sich um eine sprachlich verunglückte Formulierung handelt, die zwar Adressatenkreise und Fortbildungen zusammenfasst, die jeweiligen Zuordnungen aber differenziert verstanden wissen will. Mit anderen Worten: Die spezifischen Fortbildungsverpflichtungen müssen zu dem jeweiligen Adressatenkreis passen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die einmalige Fortbildung konkret auf eine „Ausbildung nach § 2 ZMediatAusbV“ bezieht, die regelmäßige Fortbildung hingegen nur allgemein auf eine „Ausbildung“. Bei dieser Ausgangslage sind Systematik des Regelwerks wie auch Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick zu nehmen, zumal die Gesetzesmaterialien keine weiterführenden Hinweise enthalten.

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a) Interpretation nach dem Regelungszusammenhang
Systematisch gesehen knüpft § 4 ZMediatAusbV zeitlich wie inhaltlich an eine abgeschlossene Ausbildung nach den Maßstäben des § 2 ZMediatAusbV an. Nach einem Lehrgang von 120 Präsenzzeitstunden mit vorgeschriebenem Mindestinhalt und einer Supervision soll sichergestellt werden, dass der Transfer in die Praxis gelingt und das Erlernte auf hohem Niveau umgesetzt wird. Daher die in den beiden Anfangsjahren nach der Ausbildung bestehende Pflicht zur kritischen Überprüfung eigenen Handelns durch vier weitere (Fall-)Supervisionen. Dies betrifft neu auszubildende Mediatoren, aber auch die sogenannten Übergangsfälle, weil diese sich hinsichtlich ihrer Ausbildung ebenfalls an den Voraussetzungen des § 2 ZMediatAusbV zu orientieren haben.
Anders hingegen stellt sich die Situation für Altfälle dar: Das Gütesiegel für Mediatoren nach § 7 Abs. 1 ZMediatAusbV geht von einer anderen Ausbildung als der nach § 2 ZMediatAusbV aus und privilegiert Praxiserfahrung durch mindestens vier durchgeführte Mediationen. Es wird unterstellt, dass dadurch eine qualitätsvolle Umsetzung der durch Ausbildung erworbenen Kenntnisse bereits stattgefunden hat. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Regelungen für Auslandsqualifikationen nach § 6 ZMediatAusbV: Diese entsprechen denen für Altfälle und sehen ebenfalls keine Fortbildungsverpflichtung nach § 4 ZMediatAusbV vor.
b) Interpretation nach Sinn und Zweck
Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck, konkret in der Form der teleologischen Reduktion, stützt dieses Ergebnis.
Mit der Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung gemäß § 3 ZMediatAusbV will der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass insbesondere die Praxis der konsensualen Streitbeilegung einem steten und zum Teil auch raschen Wandel unterworfen ist. Das zeigt sich an der Vielzahl unterschiedlicher Formate wie auch neuer Techniken, die sich in diesem Bereich entwickelt haben und immer wieder neu entwickeln. So sind beispielsweise getrennte Gespräche – lange Jahre äußerst umstritten – heute aus der Mediationspraxis nicht mehr fortzudenken und mittlerweile im Mediationsgesetz verankert. An derartigen Entwicklungen sollen „zertifizierte Mediatoren“ teilhaben; daher die Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung, gleich auf welchem Wege die Zertifizierung zuvor erworben wurde.
Doch was für eine kontinuierliche Fortbildung nachvollziehbar, sinnvoll und auch wünschenswert ist, gilt nicht für die einmalige Fortbildung nach § 4 ZMediatAusbV durch vier zu dokumentierende Einzelsupervisionen. Diese sind, wie der zeitliche Zusammenhang („innerhalb von zwei Jahren“) deutlich macht, eng an den Abschluss einer Ausbildung nach § 2 ZMediatAusbV und den Beginn der Praxisphase als Mediator geknüpft. Durch die qualitätsvolle Unterstützung eines erfahrenen Supervisors soll sichergestellt werden, dass das hohe Niveau der Ausbildung nach § 2 ZMediatAusbV in den ersten beiden Jahren eine adäquate Umsetzung in der Anwendung erfährt – ein Ansatz, der sich bei den Altfällen, mithin den Mediatoren der ersten und zweiten Generation, durch Zeitablauf und eigene Praxis überholt hat.
Fazit
Für zertifizierte Mediatoren nach § 7 Abs. 1 ZMediatAusbV besteht lediglich die Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung nach § 3 ZMediatAusbV, nicht hingegen zur einmaligen Fortbildung durch vier Einzelsupervisionen.
Um aber zum Schluss keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Auch erfahrene Mediatoren nehmen selbstverständlich Supervision in Anspruch – allerdings bestimmen sie selbst, wann dies erforderlich ist.
Über den Autor
Prof. Dr. Roland Fritz, M.A.
Rechtsanwalt, Mediator und Supervisor, Honorarprofessor an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und Mitgesellschafter der adribo-GbR. Seit 2004 ist er in unterschiedliche Mediationsprojekte eingebunden, zudem im Bereich Bürgerbeteiligung und Partizipation moderierend tätig.