Ein diffuser Markt verlangt klare Botschaften

Der Markt für Mediation stellt sich als hochgradig diffus dar. Konfliktmediation, Konfliktmoderation, Coaching, Beratung, Training, Supervision, Therapie und Mentoring sind alles Begriffe für kommunikative Methoden, die Menschen dabei helfen sollen, individuelle Herausforderungen zu bewältigen. Zwischen den einzelnen tformaten gibt es teils gravierende Unterschiede, die jedoch von der breiten Masse und auch von manchen Anbietern nicht immer gewürdigt und berücksichtigt werden.

Mediation zwischen Angebot und Nachfrage

Die Nachfrage

Obwohl der Bekanntheitsgrad von Mediation und Schlichtung von Jahr zu Jahr steigt (Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG 2020), ist die Mediation als wirkungsvolles und kosteneffizientes Verfahren keineswegs etabliert. Laut einer aktuellen Untersuchung der Deutschen Stiftung Mediation in Zusammenarbeit mit Infratest dimap kennen nur 36 Prozent der Befragten die zur Auswahl angebotene Bedeutung des Begriffes Mediation: „Konfliktbehandlung mit Hilfe eines Vermittlers“ (Infratest dimap, 2021). Dies bedeutet zwar eine Steigerung um 11 Prozent im Vergleich zu 2011, zeigt aber deutlich, dass fast zwei Dritteln der Betroffenen dieses Angebot zur Lösung ihrer Konflikte nicht bekannt ist.

Die Zielgruppe wird zudem kleiner, weil potenzielle Mandanten nicht immer bereit sind, Konflikte durch Dritte lösen zu lassen: Der Wunsch, doch noch zu gewinnen, mangelnde Bereitschaft über eigene Motive und Bedürfnisse zu reden, kein Vertrauen in den Prozess oder auch nur eine generelle Unsicherheit, sich gegenüber Dritten zu öffnen sind einige der Gründe dafür. Manchmal fehlt auch die Bereitschaft, Geld für eine Mediation auszugeben.

Zusätzlich gibt es immer noch Fälle, bei denen externe Hilfe als Schwäche der Betroffenen ausgelegt wird und der Mediand durch das Verfahren Imageverluste befürchtet. Der Begriff „Mediation“ ist in diesen Kontexten manchmal ein Unwort und schädlich bei der Akquise von neuen Aufträgen. Auch das ideale Zeitfenster für eine Mediation ist für die Beteiligten nicht immer ersichtlich: Zu Beginn von Konflikten sind diese oft noch nicht so hoch eskaliert, eine Lösung ohne Beteiligung Dritter liegt noch im Bereich des Möglichen und Wünschenswerten. Manchmal ist es aber auch schon zu spät, die Beteiligten haben den Kontakt (innerlich) abgebrochen, Verträge sind gekündigt, Ehen zerbrochen, Beziehungen zerstört. Alle diese Punkte zeigen, dass die Nachfrage theoretisch zwar sehr hoch sein könnte, in der Praxis aber deutlich hinter den Erwartungen der Anbieter zurückbleibt. Der Weg vom Konfliktinhaber zum Konfliktbegleiter ist lang und von vielen Hemmnissen gesäumt.

Die Anbieter

Der viel zu geringen Nachfrage steht im Gegenzug ein breites Angebot gegenüber. Der Markt wird von Soloselbstständigen und Kleinstanbietern mit unterschiedlichem Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund bestimmt. Tausende ausgebildete Mediatoren – sicherlich begeistert und überzeugt von der Wirksamkeit des Verfahrens – finden nicht ausreichend Mandanten und Konflikte, um davon leben zu können. Allein die Webseite www.mediator-finden.de verzeichnet über 4.500 Mediatoren, die neue Kunden suchen. Und es werden jedes Jahr Hunderte neuer Mediatoren ausgebildet. Freiberufler, die ausschließlich oder überwiegend von Mediationsaufträgen leben, sind eine seltene Ausnahme – selbst unter etablierten Mediatoren mit langjähriger Berufspraxis und einer Vielzahl an verhandelten Fällen. Schon aus wirtschaftlichen Gründen müssen Mediatoren also über weitere Einnahmequellen verfügen. Statt eines eigenen Berufsfeldes ist Mediation heute eher eine Kompetenz oder eine Nebentätigkeit, die zusammen mit anderen Professionen (wie Beratung, Coaching, Rechtsberatung etc.) bei der Kundenklientel angeboten und eingesetzt wird.

Der Wettbewerb

Allein die hohe Anzahl der Auftrag suchenden Mediatoren zeigt, dass der Markt auf der Anbieterseite ausgeprägt ist und ein intensiver Wettbewerb besteht. Auftraggeber, die nach Anbietern suchen, können entweder über Internetrecherchen oder Datenbanken schnell viele potenzielle Anbieter finden. Verschärft wird der Wettbewerb durch Anbieter mit einem ähnlichen Angebot wie zum Beispiel Konfliktmoderation, Konfliktbewältigung oder Teambildung. Marketingbotschaften müssen den Mediator daher auch vom Wettbewerb und alternativen Methoden abheben.

„Hallo, ich bin Mediator. Haben Sie einen Konflikt?“
Diese Werbeaussage wird gerade von Anfängern gern eingesetzt, führt aber aus mehreren Gründen nur selten zu einem Auftrag. Zunächst kann nur jeder Dritte etwas mit dem Begriff und der Methode anfangen. Vielleicht hat von diesem Drittel nur jeder Zwanzigste einen mediierbaren Konflikt und nur wiederum jeder Zehnte ist bereit, darüber mit einem unbekannten Dritten zu sprechen. Es braucht wenig mathematische Fertigkeiten, um abzu- schätzen, dass der Aufwand zur Kundengewinnung in keinem Verhältnis zum gewünschten Ergebnis stehen kann.

Das Angebot Mediation wird also meist zusammen mit anderen Formaten wie Coaching und Beratung angeboten, die dann auch als Türöffner für Mediationen wirken können. Da Methodenkompetenz allein selten überzeugend ist, wird bei den Mischangeboten zusätzlich eine Sachkompetenz vermittelt, der Anbieter fokussiert sich auf einen Themenbereich bzw. eine Nische und wird zum Experten, beispielsweise für Erbschaftsmediation.

Vorteile der Nische

  • ermöglicht eine hohe Sachkompetenz
  • fokussiert das Angebot
  • verringert den Wettbewerb
  • ermöglicht Zugehörigkeit zu einer Sach-Community
  • ermöglicht Fokussierung auf zielgruppenrelevante Medien

 

Die Marketingbotschaften


Modernes Marketing ist meist nutzerzentriert, das heißt, es setzt in Sprache, Inhalt und Nutzen auf die Kundenperspek- tive und die Kundenbedürfnisse. Letzteres ist in der Mediation jedoch nur eingeschränkt möglich, insbesondere weil die Kundenbedürfnisse erst im Laufe der Mediation herausgearbeitet und offengelegt werden. Allein die Lösung des oft als existenziell empfundenen Konflikts zu behaupten ist wenig überzeugend. Daher müssen, unabhängig von der Art der Marketingmaßnahme, Kompetenz und Professionalität dargestellt werden und Vertrauen in den Mediator und in das Verfahren aufgebaut werden. Schenken die potenziellen Kunden dem Mediator ihr Vertrauen, reicht dies in der Regel für eine Beauftragung. Eine weitere Marktevaluierung, zum Beispiel Anfragen an mehrere Mediatoren und Preisvergleiche, findet dann in aller Regel nicht mehr statt.

Kompetenzbeweise

Zielgruppenorientierte Ansprache: Der am schnellsten wirkame Kompetenzbeweis ist eine Ansprache, die sich verbal, in der Bildsprache und im Medium an der Zielgruppe orientiert. Ehepaare, die sich in der Trennung streiten, brauchen eine andere Ansprache als Wirtschaftsunternehmen mit Vertragskonflikten.

Alter und Berufserfahrung: Das Alter, die Lebenserfahrung und akademische Titel können je nach Kundengruppe eine wesentliche Rolle spielen. So wird von jedem Berater, Coach und Mediator erwartet, dass er (mindestens) auf Augenhöhe mit seinen Klienten kommunizieren kann und genug Erfahrung besitzt, um die Herausforderungen der Kunden zu verstehen. Idealerweise hat die Berufserfahrung des Mediators eine hohe Relevanz für die akute Kundensituation. Auch eine langjährige Erfahrung als tführungskraft wird oft als Kompetenz verstanden.

Mediationsausbildung: Eine fundierte Mediationsausbildung wird erwartet und muss erkennbar sein – welche konkret, spielt aber nur eine geringe Rolle. Der Versuch, über Mediationsverbände bzw. Zertifizierungsverfahren einen Kompetenzbeweis zu steuern, wird bei Medianden selten erfolgreich sein, da nur wenige Vorgebildete den Markt kennen und die Unterschiede bewerten können. Ähnliches gilt für die Zertifizierung nach dem Mediationsgesetz.
Für erfahrene Multiplikatoren, das heißt Menschen, die den Mediator in ihrem Umfeld weiterempfehlen, können aber die passenden Zertifikate eine wichtige Rolle spielen, nicht zuletzt, um Empfehlungen zu begründen und abzusichern.

Verbandszugehörigkeiten: Die Mitgliedschaft in Verbänden und Gruppierungen der Zielgruppe, zum Beispiel Verbände der Bauwirtschaft bei Baumediation, ist oft ein wirksamer Kompetenzbeweis. Der Anbieter wird als Teil der Community verstanden und geschätzt, kann einen Ruf aufbauen und bekommt Kontakte zur Zielgruppe. Fallzahlen und Referenzen: Insbesondere in Datenbanken sind die Fallzahlen und – für Kunden, die sich auskennen – auch die Zahl der Supervisionen gute und wirksame Krite- rien für eine Vorauswahl. In tfachtexten aufbereitete Fallzahlen können Aussagen über Berufserfahrungen nachhaltig verstärken. Namentliche Referenzen sind, im Gegensatz zu Beratungsaufträgen, aber in aller Regel nicht möglich und üblich.

Zuversicht und Vertrauen

Das Marketing des Mediators sollte im besten Fall bei den zukünftigen Medianden Zuversicht erzeugen, sowohl hinsichtlich der Methode als auch in Bezug auf den Anbieter. Die Kompetenzbeweise sind hierfür ein Bestandteil. Weitere Aspekte sind die Werteorientierung und Persönlichkeit des Mediators, die sozialkommunikativen Kompetenzen und veranschaulichende Beispiele. Passen die Botschaften, werden die Median- den auch Vertrauen aufbauen.

Im persönlichen Gespräch eignen sich aktives Zuhören und Fragetechniken, um die Anliegen des Mandanten in den Vordergrund zu rücken, in Texten (etwa auf der Website) oder Podcasts ist Storytelling gut geeignet. Dabei wird anhand kleiner Erfolgserzählungen nach folgendem Schema verfahren: Herausforderung eines Konfliktes – Lösungsansatz des Mediators – Erfolg der Medianden.

Drei Sekunden

Nicht nur in den sozialen Medien wird eine Werbebotschaft weggeklickt, wenn der Adressat nicht innerhalb sehr kurzer Zeit erkennt, dass die Botschaft für ihn und in seiner aktuellen Situation relevant und interessant ist.

Hierbei handelt es sich aus Sicht der Empfänger um eine Aufmerksamkeitsökonomie. Da jeder Mensch im modernen Leben täglich Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Informationsangeboten bekommt, ist es notwendig geworden, sehr schnell, meist unterhalb von drei Sekunden zu entscheiden, ob eine Botschaft relevant ist. Nur so kann aus der Flut an Informationen herausgefiltert werden, womit man sich intensiver beschäftigen möchte.

Gute Marketingbotschaften (z. B. Webseiten, Blogs, Artikel, Posts) beweisen Respekt gegenüber dem Empfänger und überlassen es seiner Entscheidung, schnell und fundiert eine Auswahl zu treffen. Sie starten am Anfang mit Formeln wie „für wen“, mit „was“ und dem Aufzeigen des erreichbaren Nutzens. Das Prinzip wird seit vielen Jahren praktiziert: In der Zeitung gibt es Überschrift und Unterüberschrift / Abstract, in Büchern Klappentexte etc. Wer interessiert ist, liest weiter und erhält dabei mehr Inhalte. Wer nicht, kann sich um anderes kümmern.

Selbstverantwortung ist gefragt


So wünschenswert eine allgemein höhere Akzeptanz von Mediation im Markt mit einhergehenden deutlichem Wachstum der Nachfrage wäre, obliegt es im realen Wirtschaftsgeschehen den einzelnen Mediatoren selbst, die Mediation als auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit für sich zu etablieren und regelmäßig neue Kunden zu gewinnen.

Dr. Christian Fritzsche

Berater und Trainer für Marketing, Vertrieb und Vertrag, Business Coach und Konfliktmediator Wirtschaft. Zu seinen Spezialthemen gehören Gründerberatung und Marketing für Selbstständige. Als Mediator ist er insbesondere im Bereich von Verträgen und Verhandlungen aktiv.
Kontakt: www.chf-beratung.de, chf@chf-beratung.de.

Literatur

ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG (2020): Roland Rechtsreport 2020. Köln. Online abrufbar unter: https://www.roland-rechtsschutz.de/unterneh- men/presse_2/publikationen/publikationen.html.

Siegel, Nico A. / Simon, Anja Miriam et. al (2021): Bekanntheit des Begriffs „Mediation“. Eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Deutschen Stiftung Mediation. Online abrufbar unter: https://stiftung-mediation.de/downloads.

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