Zwischenruf mit Buchempfehlung
Dr. Stefan Grüll, Berlin.
Krisen. Kriege. Katastrophen. Migration. Klimawandel. Dieselfahrverbot. Der Sommer zu heiss, der Winter zu lang. Nutella mit neuer Rezeptur. Shitstorm gegen den Brotaufstrich! Wer es immer schon ahnte, ist nun überzeugt: Früher war alles besser! Mangels Orientierung keine Richtung. Der Abschied von Gewohnheiten als chronische Bedrohung. Wo Halt fehlt, gedeiht Angst. Am Rand imaginärer Klippen der scheue Blick in den Abgrund. Resignative Stagnation der maximal Verunsicherten. Rückzug aus der Realität in ein schützendes Kokon oder die Flucht in die digitale Scheinwelt mit ihren trügerischen „Wahrheiten“, schlichten Antworten und den Untiefen der asozialen Netzwerke voller Häme und Hass. Verachtung statt Achtung. Ablehnung statt Akzeptanz. Katalysatoren der Enthemmung. Das Vertrauen auf das Gute im Menschen, die Hoffnung auf die Wahrung wenigstens von Würde und Integrität mutiert zu einem rührend verzerrten Optimismus hart an der Grenze zu kindlicher Naivität.
Der Zukunftsforscher Lothar Abicht bleibt dennoch zuversichtlich. In dem lesenswerten Buch ‚2030. Wie viel Mensch verträgt die Zukunft‘ (Sven Gábor Jánszky und Lothar Abicht, 2b AHEAD Publishing; Leipzig 2018) ruft er uns in Erinnerung, dass „Menschen Eigenschaften (besitzen) wie Empathie, Vertrauen, Aufopferungsbereitschaft sowie die Fähigkeit und das Bedürfnis zu lieben.“ Das alles könne die Menschheit in die Waagschale der zukünftigen Entwicklung werfen.
Mit Mut zur Empathie in die Zukunft
Lust auf Veränderung aus der Überzeugung, dass die Evolution noch Luft nach oben hat? Mut, neugierig auf die Zukunft zu sein, an deren Gestaltung man sich aktiv beteiligt. Mit Empathie den Mitmenschen begegnen. Sie mit ihren Wünschen und Sorgen wahrzunehmen, um auch selbst wahrgenommen zu werden. Ein faszinierend erfrischender Gegenentwurf zu lähmend verzagter Besitzstandswahrung. Früher war vieles gut, aber eben nicht alles besser oder, um den begnadeten Jochen Malmsheimer zu zitieren: „Früher war vieles früher und der September oft schon im April.“ Jochen Malmsheimer ‚Das Wurstbrot oder: Früher war alles besser‘ https://www.youtube.com/watch?v=1iciN5y6nF0 Am 11.06.2010 veröffentlicht; Aufzeichnung der ZDF-Kabarettsendung “Neues aus der Anstalt” vom 08.06.2010)
Neugierde und Empathie. Mehr oder minder ausgeprägt und oftmals gänzlich verschüttet unter den überholten Gewissheiten vergangener Zeiten sind diese Bausteine einer menschlicheren Zukunft in dem Portfolio eines jeden von uns vorhanden. Mediatoren, die sich weniger in der Konfliktbearbeitung engagieren, um sich stärker als Coaches zu positionieren, erschliesst sich damit ein interessantes Geschäftsfeld.
„Ich habe schon immer zehn Coaches gehabt. Und seit ich keinen Karrierecoach mehr brauche, ist da eine Stelle frei.« Peter grinste, als er Annes ungläubiges Gesicht sah. »Zehn?«, fragte sie. »Klar, zehn! Einen Finanzcoach, einen Risikocoach, einen für Erziehung, Sport, Gesundheit, Urlaub, Rhetorik, einen für Bildung und natürlich Oscar, meinen Technologiecoach. Und was ich mir schon immer gewünscht habe, ist ein Rechtscoach.« Anne nickte beeindruckt. »Da bin ich wohl noch etwas hinterher, ich habe nur einen Wellness-, einen Beauty-, einen Karriere- und einen Finanzcoach. Aber auch ich wollte dich fragen, ob du nicht mein Leadershipcoach werden könntest?“ (Auszug aus ‚2030. Wie viel Mensch verträgt die Zukunft’ von Sven Gábor Jánszky und Lothar Abicht, 2b AHEAD Publishing; Leipzig 2018)
Mediatoren und Mediatorinnen sind meines Erachtens geborene Leadershipcoaches und der gesellschaftliche Bedarf ist definiert. Warum also bis 2030 warten? Mit dem Angebot wächst die Nachfrage. Das ist Marktwirtschaft; heute wie früher.
Dr. Stefan Grüll, Berlin
Rechtsanwalt und Mediator