Die „Grundsatzfrage“ – Aus der Reihe „Kommunikation im Konlikt: Fragen statt Ratschläge?!“

von Bernhard Böhm, M.M.

„Augen zu und durch“ – haben wir einmal eine Entscheidung getroffen, lassen wir meist nicht mehr davon los. Dies belegt auch eine Studie: Laufende Projekte  werden nur selten abgebrochen.
Wieso es gelegentlich hilfreich sein könnte, die „Grundsatzfrage“ vulgo „Kardinalfrage“ zu stellen.

grundsatzfrage

„Bitte keine Grundsatzdiskussion!“

Wahrscheinlich haben Sie auch schon diese ermüdenden und lähmenden „Grundsatzdiskussionen“ erlebt. Welch ein Glück, wenn diese erfolgreich „im Keim erstickt“ werden, bevor sie an Dynamik gewinnen können.

„Grundsätzliches“ stellen wir ungern infrage: „Wie, das Projekt einstellen? Auf keinen Fall!“.

Solange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht, dass das Projekt irgendwie durchgeführt werden kann, wird selten losgelassen. Lieber passen wir Ziele oder Budget an und erhöhen den „Druck“, um das Projekt irgendwie über die Ziellinie zu wuchten.

So haben nach einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (Lohnen sich Ihre Projekte wirklich?, 2011; nachzulesen auf unserer Hompage unter: www.die-mediation.de/fachartikel-studien/) 60 Prozent der befragten Unternehmen in den vergangenen Jahren kein Projekt abgebrochen. Bei weiteren 6 Prozent waren Projektabbrüche die absolute Ausnahme und 11 Prozent konnten aufgrund fehlender Aufzeichnungen keine Angaben machen.

Das Projekt wird umgesetzt – „wie auch immer“

Nachfragen ist nicht erwünscht. Aus Angst vor dem Scheitern. Denn was passiert, wenn auf die Grundsatzfrage keine schlüssige Antwort gefunden wird und das Projekt tatsächlich „eingestampft“ werden müsste? Dann doch lieber ein Schrecken ohne Ende.

Somit lautet die Frage meist nicht „Ja oder Nein?“, sondern „Wie?“ oder es wird beschieden: „Wie auch immer!“ Ein Blick in die Wirtschaftspresse zeigt genügend Praxisbeispiele. Die Grundsatzfrage wird erst dann gestellt, wenn es ohnehin keine Alternative mehr gibt und das Projekt endgültig „gegen die Wand“ gefahren ist.

Mut zum Fragen

Laufende Projekte nicht mehr infrage zu stellen, ist aus meiner Sicht jedoch ein fataler Fehler und ein Zeichen für eine wenig ausgeprägte Fragekultur.

Denn die Auseinandersetzung mit der Schlüsselfrage ist unerlässlich, um die Sinnhaftigkeit eines laufenden Projekts kritisch zu beleuchten. In Zeiten schnellen Wandels wird mit einer Zielkorrektur vielleicht ein ohnehin „toter Gaul“ nur noch länger geritten.

Der „Projekttod“ als Chance

Was gewinnen wir, wenn wir das Projekt „beerdigen“? Welche Ressourcen werden dadurch frei? Und ist der Schaden wirklich so groß wie befürchtet? Das Sterben eines Projekts kann Hoffnung geben! Und überraschend positive Wendungen ermöglichen.

Andererseits besteht ja durchaus die Möglichkeit, dass im Ergebnis des kritischen Hinterfragens am Projekt festgehalten wird. Auch in diesem Fall hat das Stellen der Grundsatzfrage etwas Gutes. Denn so wird deutlich, warum das Projekt einen Sinn hat und wieso und was am Projekt wichtig ist. Die Beteiligten werden neu auf das Vorhaben eingeschworen und motiviert.

Fragekultur versus „Ja-Sager-Kultur“

Hierfür bedarf es einer Fragekultur, die es auf allen Ebenen erlaubt, laufende Projekte ergebnisoffen infrage zu stellen und zu diskutieren. Steht das Ergebnis („Ja“ zum Projekt) zu Beginn der Diskussion schon fest, lassen Sie diese lieber bleiben. Der Frust ist am Ende größer.

Übrigens:
Dieser Artikel stammt aus der Reihe „Kommunikation im Konlikt: Fragen statt Ratschläge?!“ und wird mit jeder neuen Ausgabe unseres Fachmagazins fortgeführt.

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