Einsatz von Kreativtechniken im Konfliktmanagement

von Gunter Dehr

Konflikte innerhalb von Unternehmen können fernab althergebrachter Methoden auf innovative und kreative Weise gelöst werden. Um kritische Beziehungen sachlicher oder persönlicher Art zwischen Vertretern unterschiedlicher hierarchischer Stufen zu überwinden, wenden Mitarbeiter, Angestellte und Führungskräfte im Rahmen eines Ideenfindungskonzepts ausgewählte Kreativtechniken an.

© alphaspirit / fotolia.com

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Der bewusste Bruch mit automatisierten Regeln und Verhaltensmustern kann für neue Sichtweisen und Einschätzungen stehen; die Konfliktparteien können sich im besten Fall neue, konfliktbeilegende Regeln geben. Organisationsteilnehmer mögen stark divergierende Überzeugungen haben, sie müssen jedoch den Kundeninteressen höchste Priorität einräumen. Aus allgemeiner Marketingsicht und unter Berücksichtigung eines „Customer Relationship Management“-Ansatzes sind die Interessen marktgerichtet zum Ausgleich zu bringen.

Ausgangslage

Durch die Beschleunigung der beobachtbaren Veränderungen in Unternehmen werden im Konfliktfall organisatorische Strukturen und inhaltliche Konzepte neu erfunden und im betrieblichen Alltag praktiziert. Mit dem Harvard-Konzept, einem Klassiker der Verhandlungstechnik, wird eine Dynamisierung des Entscheidungsverhaltens im Konfliktfall überdeutlich herausgearbeitet. Konfliktüberwindende Methoden wie Coaching, Moderation und Mediation werden im Kontext von ausgewählten Kreativmethoden diskutiert.

Durch einen Moderator sollen im Rahmen des Verhandlungsprozesses zum Beispiel Brainstorming-Sitzungen organisiert und umgesetzt werden. Beim Harvard-Konzept geht es um die Ideensuche mit der „Gegenseite“, also die Übertragung von gefundenen Lösungselementen unter Berücksichtigung gemeinsamer Ansichten und Interessen. Es ist nach einer Konflikthandhabung und Reduktion aufkommender Widerstände zu forschen. An dieser Stelle wird dem Konsensprinzip gefolgt. Wenn zum Beispiel unterhalb der Geschäftsleitungsebene ein Marken-, ein Produkt- und ein Kundenmanagement existieren, können „Silo-Strukturen“ dafür sorgen, dass gemeinsame Anstrengungen ausbleiben.

Diese drei Bereiche sind aber für einen Erfolg beim Kunden untrennbar miteinander verbunden. Dies führt unmittelbar zu einer Teamstruktur, in der eine rotierende Teamleitung (Teamleiter als Coach) dafür Verantwortung trägt, dass Konflikte schnell beigelegt und im besten Fall produktiv genutzt werden. Wenn Marken-, Produkt- und Kundenmanagement zu den zentralen Werttreibern gezählt werden, haben die verantwortlichen Manager dafür zu sorgen, dass die „Denksilos“ zerstört werden (Hennig-Thurau et al. 2014: 36). Das darin liegende Konfliktpotenzial ist erheblich und führt meist zu tief greifenden Friktionen. Wer den üblichen abteilungsbezogenen Marketingansatz reformieren will, muss angesichts der „Schnittstellenproblematik“ Konflikte in Kauf nehmen. Aus Schnittstellen sollen Nahtstellen werden.

Problemarten, Kreativmethoden und allgemeine Arbeitsbedingungen

Hier wurden sechs Kreativtechniken ausgewählt, die sich als äußerst praktikabel für einen Ideengenerierungsprozess erwiesen haben. Die Konfliktparteien sind sich im besten Fall einig, welche Problemsituationen existieren und wie man an sie herangehen könnte. So stellt sich schnell heraus, dass sich Problemarten, hier hauptsächlich Such- und Analyseprobleme, sehr gut mit Kreativtechniken in Verbindung bringen lassen. Dem Begriffsinhalt der Wirtschaftsmediation folgend, soll in komplexen Situationen eine Verhandlungsgrundlage geschaffen werden.

Problemart Kreativmethoden zur Bewältigung
Suchproblem Brainstorming
Brainwriting/Methode 635
Brainwalking
Brainwriting-Pool
Mind-Mapping
Attribute-Listing
Auswahlproblem keine Anwendung von Kreativtechniken, da die Gefahr groß ist, dass eine Vorentscheidung zu erkennen sein könnte
Analyseproblem Brainstorming
Brainwriting/Methode 635
Brainwalking
Brainwriting-Pool
Mind-Mapping
Attribute-Listing
Konstellationsproblem Methode 635
Mind-Mapping
Attribute Listing
Konsequenzproblem wird mit „logisch rationalen Ansätzen“ in Verbindung gebracht (z. B. ökonometrische Modelle, Scoring-Modell, Simulationsmodelle)

Tabelle 1: Problemkategorisierung und Kreativmethoden.

Auf der Basis der Problemkategorisierung und der Zuordnung von Kreativmethoden werden Lösungsalternativen unter dem Gesichtspunkt der Quantität und der Qualität diskutiert.

Im Rahmen von Konfliktmanagementsystemen (KMS) treten komplexe Situationen innerhalb von Hierarchien auf, die nach Verhandlungsgrundlagen verlangen. Dabei kann die Suche nach Übereinstimmungen und gemeinsamen Interessen die Basis einer Übereinkunft sein. Es soll zunächst ein Spektrum an verschiedenen Lösungen entwickelt werden. Die nachfolgend aufgeworfenen Fragestellungen geben einen ersten Einblick in die Arbeitssystematik der Kreativtechniken.

Hintergrundfragen und Zielstruktur der Konflikte

  • Wodurch ist das Problem bzw. der Konflikt entstanden? (nächster Schritt: exakte Definition des Problems)
  • Welche Positionen (Funktionen) stehen im Konflikt einander gegenüber?
  • Welche Personen sind betroffen?
  • Welche Kollegen bzw. Hierarchieebenen sind betroffen?
  • Ist in der Organisation Wissen über Konfliktlösungsstrategien vorhanden?
  • Gibt es bereits ausgebildete Moderatoren, Coaches und Mediatoren?
  • Ist in der Organisation Wissen über die Anwendung von Kreativtechniken vorhanden?
  • Wie wird über die Entwicklung von Optionen nachgedacht?
  • Wie sucht man Wahlmöglichkeiten?
  • Welche Ziele haben einzelne Organisationsteilnehmer? Wie sollen diese Ziele erreicht werden?
  • Wie sehen Macht- und Entscheidungsstrukturen aus?
  • Wer hat den größten Gewinn bzw. Verlust zu erwarten?

Kreativmethoden und Konfliktlösungskompetenz

Das Harvard-Konzept zieht ein Brainstorming mit der Gegenseite in Betracht. Quantität der Ideen geht zunächst vor Qualität, eine bewertende Sichtweise wird vertagt, eine Vorentscheidung soll gar nicht erst erwogen werden. Für die Leitung kommt ein Moderator (gleichzeitig Protokollführer) ins Spiel, der die geäußerten Ideen notiert (Flip-Chart). Brainstorming basiert auf dem Prinzip der freien Assoziation, es sind ausdrücklich spontane und ungehemmte Verhaltensweisen erwünscht. Je mehr Ideen zu einem Konfliktfall geäußert werden, desto höher ist auch die Chance, dass realisierbare Verfahrensschritte entwickelt werden, die den Konfliktparteien helfen. Übereinstimmend konstatieren Praktiker, dass eine sorgsam ausgewählte und präzise formulierte Problemstellung den besten Einstieg darstellt. Wenn „Silo-Vertreter“ aufeinandertreffen, kann ein Moderator hinderlich sein. Doch wer hält dann die ersten Ergebnisse fest? Darf ein Aufnahmegerät verwendet werden? Solche Fragen sind sehr problematisch und nicht eindeutig zu beantworten.

Wenden wir uns dazu den Verfahren zu, im Rahmen derer ohnehin ein Protokoll zu erstellen ist. Zur Methode 635 (Brainwriting): Sechs Teilnehmer, vielleicht je zwei Vertreter der drei „Silos“, analysieren und definieren zunächst sorgfältig das Problem. Sie schreiben drei Ideen nieder, dafür haben sie fünf Minuten Zeit. Anschließend gibt jedes Teammitglied sein Formular an seinen Nachbarn weiter, dieser nimmt die Lösungsansätze seines Vorgängers zur Kenntnis und trägt drei weitere Ideen ein. Es empfiehlt sich, die pro Rotationsphase vorgesehene Zeit flexibel zu handhaben. Konfliktlösungen erfordern in vielen Fällen mehr Zeit zum Nachdenken, der einzelne Teilnehmer reflektiert in der Regel intensiver.

Das wesentliche methodische Element ist dabei das Aufschreiben, eine Protokollführung im engeren Sinn wird überflüssig. Die Teilnehmer können nach Abarbeitung der Problemstellung in aller Ruhe die geäußerten Ideen/Vorschläge bewerten und zur Konfliktüberwindung nutzen.

Große Spielräume und freie Kommunikation bietet das Brainwalking. Dabei werden Demowände/Flipcharts in der entsprechenden Abteilung oder im gesamten Unternehmen aufgestellt. Auf den Bögen sind jeweils ein bis zwei Fragen zum Hauptproblem notiert, die von den Mitarbeitern quasi im Vorbeigehen bearbeitet werden sollen. Es wird von einem „wachsenden Anregungspotenzial“ gesprochen. Der ständige Ortswechsel und die damit zusammenhängende „neue Umgebung“ üben einen besonderen Reiz aus. Zum Schluss werden die Anregungen gebündelt, ausgewertet und hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit überprüft.

Die Struktur des Mind-Mappings  visualisiert Problemstellungen. Es werden logische und bildhafte Inhalte in Gedankenlandkarten dargestellt. Die Methode unterstützt spontanes und sprunghaftes Denken und trägt zur Übersicht sehr komplexer Sachverhalte bei. Aus der Darstellungsart geht hervor, dass man sehr grundlegend in den Problembereich eindringen kann. Der Wahrnehmungsbereich eines Problemfeldes wird erheblich erweitert. Während der Analysephase können die Ideen herausgefiltert werden, die weiterverfolgt werden sollen. Die Darstellungsart gewährt dabei zu jeder Zeit den Gesamtüberblick. Mind-Maps sind sozusagen Aufnahmen eines Baumes aus der Vogelperspektive.

Beispiel einer Mind-Map im Kontext eines konkreten Konflikts (© Gunter Dehr)

Abb.: Beispiel einer Mind-Map im Kontext eines konkreten Konflikts (© Gunter Dehr).

Verzweigungen können zu einem späteren Zeitpunkt auch neu geknüpft werden. Darüber hinaus ist es ratsam, Symbole für Termine, besonders wichtige Inhalte oder Zusammenhänge und Abhängigkeiten einzuführen. Durch Nummerierungen von 1 bis x lassen sich Prioritäten vermerken.

Die Methode Attribute-Listing wird angewendet, wenn bestehende Verfahren überarbeitet bzw. verbessert werden sollen. Für den Erfolg im Rahmen der Konfliktlösung ist eine notwendige Strukturiertheit zielführend. Das dominante Prinzip besteht in der Variation möglicher Lösungsalternativen. Varianten können in diesem Zusammenhang zu Bestandteilen einer Neukonzeption werden. Nachfolgend wird beispielhaft und stark verkürzt die Kreativtechnik beschrieben:

Merkmal Derzeitige Lösung Davon abweichende Gestaltung
Kooperation keine Teams, kein Ausgleich der Interessen, Silo-Denken Teambuilding-Maßnahmen, Projektteams, Kreativteams, Innovationsteams
Kommunikation/Information Informationen werden als „Herrschaftsgut“ verwaltet, gezielte Informationsvorenthaltung Informationsvielfalt, allgemeiner Zugang zu Informationen
Führungsstil autoritär, Ziele werden diktiert kooperative Zielvereinbarung, Fordern und Fördern im Zielbildungsprozess

Tabelle 2: Wirkungsweise der Methode Attribute-Listing

Fazit

Aufgrund von Ergebnisprotokollen und diskutierten Variationsmöglichkeiten wird bei der Anwendung von Kreativtechniken als Konfliktlösungsverfahren der Suche nach einer gemeinsamen Basis zwischen den Konfliktparteien Rechnung getragen. Es wird einer Vielzahl von neuen Überlegungen nachgegangen, die konfliktlösend wirken können.

Agenda der teilnehmerorientierten Verfahrensanleitung

  • Sind die Ziele/Intentionen der Manager verdeutlicht worden?
  • Sind die Interessen unterschiedlicher Berufsbilder oder hierarchischer Ebenen im Unternehmen erkannt und berücksichtigt worden?
  • Welche neuen Ansätze/Variationen sind akzeptiert bzw. verworfen worden?
  • Welche Störungen im betrieblichen Alltag werden als besonders gravierend empfunden?

Über den Autor

Prof. Dr. Gunter Dehr ist Inhaber der Dr. Dehr Unternehmensberatung mit den Schwerpunkten Strategische Unternehmensplanung, Controlling, Coaching, Moderation und Prozessmanagement. Er war in leitenden Stellen bei der Braun GmbH sowie bei Gillette als Marketingmanager tätig und bis zu seiner Emeritierung Professor für ABWL, Unternehmensführung und Marketing an der Hochschule Anhalt (FH). Prof. Dr. Dehr ist Autor und Herausgeber zahlreicher Fachveröffentlichungen.

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