Konfliktmanagement in Krankenhäusern ist ein Thema, das zunehmend an Relevanz gewinnt. Denn vor allem im Krankenhaus gehören Konflikte zum beruflichen Alltag. Viele Menschen treffen dort aufeinander, die in unterschiedlichen Beziehungen zueinanderstehen. Arbeitsbeziehungen, werden in der Regel durch starre Hierarchien bestimmt. Auch Patienten bilden einen wesentlichen Teil der Struktur. Insgesamt ist das Beziehungsgeflecht in einer medizinischen Anstalt sehr komplex, was zu Spannungen führen kann, z.B. zwischen:
– dem Pflegepersonal und den Ärzten,
– den Ärzten und den Patienten sowie deren Angehörigen,
– dem Pflegepersonal und den Patienten sowie deren Angehörigen, oder aber
– der Verwaltung und dem medizinischen Personal
– im wahrsten Sinne des Wortes: ein Beziehungsviereck. Bei diesen vielen Akteuren steigt auch das Konfliktpotential.
Stress und Zeitmangel sind regelrechte Empathiekiller
Es ist allseits bekannt, dass die Zustände in deutschen Krankenhäusern oft als „alarmierend“ beschrieben werden. Diese sind oftmals den herrschenden Arbeitsbedingungen geschuldet. Rationalisierungsprozesse durch Einsparungen erschweren die Qualität der medizinischen Versorgung, setzen die Ärzte und Pflegenden einer hohen Belastung aus und resultieren insgesamt in Unzufriedenheit auf allen Seiten. Begriffe wie Kostenexplosion im Gesundheitswesen, Qualitätsmanagement und -sicherung, Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Bettenabbau rücken im Krankenhaussystem mehr und mehr in den Fokus. Konfliktmanagement findet man selten auf der Agenda. Ein wichtiger Aspekt, der oftmals nur wenig Berücksichtigung findet, besteht darin, dass die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses auch von der Zufriedenheit der Behandelten abhängt. Das Krankenhaus als Wirtschaftsapparatus funktioniert nur, wenn Personen sich behandeln lassen.
Für den Aufbau einer empathischen Beziehungsebene bleibt in den wenigsten Krankenhäusern genug Zeit übrig. Zeitmangel und Stress sind regelrechte Empathiekiller. Darunter leiden insbesondere die Patienten. Studien haben gezeigt, dass positive Emotionen den Genesungsprozess fördern. Negative Emotionen bewirken das Gegenteil. In weitere Forschungen wurde festgestellt, dass eine von Seiten des Patienten wahrgenommene Hektik des medizinischen Personals sowie ein mangelndes Einfühlungsvermögen der Ärzte, depressives Verhalten bei ersteren begünstigen kann. Der Wunsch nach mehr Informationen vom Arzt, mit einer genauen Erläuterung der Diagnose und möglichen Behandlungsoptionen, bleibt oft unerfüllt.
Empathie – das Verstehen von Gefühlen
Was bedeutet Empathie? Der Begriff kann bis ins unendliche definiert werden, doch im Kern beschreibt die Empathie die Fähigkeit ein gewisses Einfühlungsvermögen seinem Gegenüber zur Schau zu stellen. Es ist das Verstehen von Gefühlen. Im Arzt-Patienten-Pfleger Verhältnis bedeutet dies also, dass die Behandelnden in der Lage sind, sich in die Behandelten hineinzuversetzen und letzteren zu signalisieren, dass ihr Anliegen ernst genommen wird. Es soll glaubhaft vermittelt werden, dass der Patient nicht nur als „Fall“ betrachtet wird, sondern als Mensch, dessen Fall gründlich bearbeitet wird. Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare (dt.: „erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen“, Grundsatz der hippokratischen Tradition).
Auch der berufliche Alltag wird vom Umgang miteinander bestimmt. Ein ausgeprägtes Hierarchiesystem, kann dazu führen, dass sich Chefärzte, Assistenzärzte, Pflegepersonal und Verwaltung nicht immer als Team sehen, sondern als Kontrahenten. Daraus resultiert Misstrauen und Aversion. Eine daraus folgende Konsequenz ist eine schlechte Kommunikation. Wer Unbehagen gegenüber einer anderen Person verspürt, vermeidet wenn möglich, die direkte Konfrontation. Dadurch kann wertvolle Information verloren gehen.
Ein System, das einerseits klare Zuständigkeiten, funktionierende Kommunikationswege und eine Strategie für ein Konfliktmanagement definiert und andererseits Werte wie „Empathie“ und „Interesse am Menschen“ integriert, ist das überhaupt möglich? Es gilt an dieser Stelle zu beachten, dass Empathie auch von der individuellen Grundhaltung einer Person abhängt, genauso wie ihr Interesse am sozialen Engagement. Diese Grundhaltung bildet sich vordergründig während der Kindheit aus. Bei dem einen ist sie stärker ausgeprägt als bei dem anderen. Doch auch im Erwachsenenalter ist es noch möglich Kognition und Emotionen durch neue neurale Verknüpfungen zu verändern. Medizinische Universitäten haben bereits in ihr Curriculum Lehrveranstaltungen im Bereich Kommunikation, Interaktion und Teamarbeit eingeführt. Die Studierenden sollen unter anderem lernen, wie man Gespräche in emotional herausfordernden Situationen führt. Auch interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement steht auf dem Veranstaltungsplan. Dies kann gewiss als ein lobenswerter Schritt in Richtung Empathie-Förderung betrachtet werden. Jedoch befinden sich die Studenten zu diesem Zeitpunkt noch im Vorlesungssaal. Die meisten unter ihnen haben schon einige praktische Erfahrungen im Stations- oder Praxisalltag sammeln können, doch Arbeitsroutine und Studium bleibt etwas Unterschiedliches.
Mit mediativen Ansätzen und Konfliktmanagement zurück zu einem friedvollen Miteinander
Der Übergang von der Universität in die Klinik als fester Arbeitsplatz, führt zur Konfrontation mit der Realität. Kann bei Zeitdruck und Stress das Erlernte in der Kommunikations-Vorlesung noch adäquat angewandt werden? Die Faktoren „Kosteneinsparung, Hektik und Zeitmangel“ ergeben ein explosives Gemisch, dass zur Konflikteskalation führen kann. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten müssen also noch weitere passende Maßnahmen gefunden werden, die es allen Akteuren auch im Krankenhausalltag ermöglichen, Beschwichtigung einzuführen. Die Einführung von mediativen Ansätzen stellt eine Option dar. Klinikmediation kann ein hilfreiches Instrument sein, um Balance und einen empathischen Umgang wieder zu erlernen. Methoden, wie z.B. das Spiegeln des Gesagten, werden vermittelt. Allein das Wiederholen eines Patientenanliegens, führt dazu, dass dieser sich wertgeschätzt fühlt.
Das Beispiel eines Berliner Krankenhauses, welches von einem Umstrukturierungsprozess betroffen war, zeigt, welch positive Auswirkung die Einführung von Mediation haben kann. Der Umstrukturierungsprozess wurde vom Österreichischen Ökonom und Konfliktforscher Friedrich Glasl begleitet. Dieser entwarf ein mehrstufiges Konfliktmanagement-System, dass
– die Stärkung der Konfliktfähigkeit des einzelnen („intrapsychisch“),
– die Betrachtung der „zwischenmenschlichen“ Ebene, der Interaktion in Interessens- und Beziehungskonflikten und
– der „Organisationsebene“
berücksichtigte. Dafür wurden Konfliktlotsen und Berater bestehend aus der Geschäftsleitung, dem Betriebsrat, der Ärzteschaft und dem Pflegedienst ausgebildet. Auswertungen im Nachhinein haben ergeben, dass die Zufriedenheit auf allen Ebenen zugenommen hat.
Betriebliches Konfliktmanagement trägt im Krankenhaus in hohem Maße zur Arbeitsqualität, Patientenzufriedenheit und Mitarbeiterbindung bei! Mediative Verfahren im stationären Bereich können also zur Entlastung führen und ermöglichen auch bei knappen Ressourcen „Empathie zu leben“. Der Weg zur empathischen Haltung nützt am Ende allen Beteiligten: sie hilft dem Patienten zu genesen und dem medizinischen Personal sich selbst mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und damit professionell umzugehen.
Literatur:
Biermann, Kai (2018): „Keine Zeit für Menschlichkeit“. In: https://www.zeit.de/arbeit/2018-02/pflege-krankenhaus-arbeit-stress-mangel, zugegriffen am 30.5.2018
Biermann, Kai (2017): „Krank gespart“. In: https://www.zeit.de/arbeit/2017-11/pflege-krankenhaus-pflegekraefte-mangel/komplettansicht, zugegriffen am 30.5.2018
De Ridder, Michael (2017): „Ich könnte du sein – Ärzte und Empathie“. In: https://www.tagesspiegel.de/wissen/aerzte-und-empathie-ich-koennte-du-sein/19334440.html, zugegriffen am 30.5.2018
Neumann, Melanie/ Scheffer, Christian/ Edelhäuser, Friedrich/ Tauschel, Diethard (2012): Physician empathy: Definition, outcome-relevance and its measurement in patient care and medical education. In: GMS Zeitschrift für medizinische Ausbildung. 2012 Volume 29.
Splinter, Dirk/ Weber, Burkhard (2005). Mehrstufiges internes Konfliktmanagement im Krankenhaus. In: ZKM – Zeitung für Konfliktmanagement. 3/2015.