Studie untersucht Gewalt gegen Rettungskräfte

Tendenz zur Verrohung und Verlust an Empathie

Prof. Dr. Thomas Feltes, Kriminologe an der Ruhruniversität in Bochum, hat zum zweiten Mal Attacken auf Sanitäter, Polizisten oder Feuerwehrleute erforscht und sie jetzt miteinander verglichen.

2017 befragte er in Nordrhein-Westfalen in ausgewählten Städten mehr als 4.500 Brandschützer, Sanitäter und Notärzte nach erlittener Gewalt. Nur 812 (ca. 18 Prozent) potenziell Betroffene haben den Fragebogen ausgefüllt. Diese geringe Reaktionsquote wertet der Kriminologe wie folgt: „Die Einsatzkräfte erleben das Problem nicht so, wie es in den Medien oder von der Politik oft dargestellt wird.“

Seine erste Feststellung: die Zahl der Angriffe hat sich nicht vermehrt, allerdings fallen sie gewalttätiger aus als in 2011.

Prof. Feltes sieht die Ursachen in einen allgemeinen Verlust an Respekt und Empathie gegenüber Mitmenschen und in einer Tendenz zur Verrohung in der Gesellschaft. Dies werde von einer zunehmend aggressiven Debatte in der Öffentlichkeit gefördert.

Die Auswertung

Die Attacken gegen Rettungskräfte ereignen sich zu weit über 50 Prozent in den Abend- und Nachtstunden und meist ist Alkohol im Spiel.

Hier ein Auszug:

  • 40 Prozent der Fälle körperlicher Gewalt schrieben die Einsatzkräfte jungen, männlichen Tätern mit Migrationshintergrund zu. Diese Gewaltquote relativiere sich jedoch umgehend, so Prof. Feltes, wenn man dies dem Verhalten vergleichbarer deutscher Männer gegenüberstelle: „Dann reduziert sich der Unterschied gegen null.“

  • 64 Prozent der Befragten waren mindestens einmal Opfer von Gewalt geworden.

  • 60 Prozent waren Opfer verbaler Gewalt wie z. B. Beschimpfungen.

  • 49 Prozent erlebten nonverbale Gewalt: aggressive Gesten wie Stinkefinger, erhobene Faust.

  • In 25 Prozent der Fälle war die Ursache der Eskalation fehlgeschlagene oder nicht stattgefundene Kommunikation.

  • 13 Prozent der Rettungskräfte erlitten körperliche Gewalt: Schubsen, Bewerfen mit Gegenständen oder Faustschläge.

Besonders betroffen waren Rettungsassistenten oder Notärzte. Hier ging die Aggression mit 73 Prozent von den Patienten aus. In Großstädten kam es weit häufiger zu körperlicher Gewalt als in kleineren Gemeinden. Die Aggressionen gingen von allen Bevölkerungsschichten aus.

All diese diese Ergebnisse weichen zahlenmäßig jedoch kaum von denen in 2011 ab.

Was fordern Einsatzkräfte, um in Zukunft besser geschützt zu sein?

Fotolia_21187818_Subscription_Monthly_XLHöhere Strafen nutzten hier wenig, weil die Täter in solchen Situationen irrational handelten, Gewaltsituationen entwickelten eine eigene Dynamik. Kein Täter denke in solchen Situationen an Gesetze oder Strafen.

Die Befragten selbst forderten eine verbesserte Aus- und Fortbildung wie praxisorientierte Rollenspiele, körperschonende Abwehrtechnik, Deeskalationstrainings und verbale Selbstverteidigung. Hier tut sich ein interessantes Einsatzfeld für Mediatoren auf.

Psychologische Einflussnahme schätzten Rettungskräfte weit effektiver ein. Sie sei zudem mit ihrem Berufsverständnis eher vereinbar als die Androhung Strafen, die Anwendung von Gewalt, Nutzung von Pfefferspray o.ä. Auch Schutzwesten lehnte die Mehrheit der Rettungskräfte ab.

Siehe auch:

http://www.sueddeutsche.de/panorama/studie-zu-gewalt-gegen-einsatzkraefte-maennlich-jung-aggressiv-1.3814103

https://www.demo-online.de/artikel/helfer-selbst-opfer-gewalt

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