Rechte Gewalt in Chemnitz – Kann Mediation etwas dagegen bewirken?

Wie lässt sich verhindern, dass ein Mob wie in Chemnitz Menschen jagt?

Das fragt sich die Rechtsradikalismus-Forscherin Britta Schellenberg. Sie arbeitet am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Uni München zum Thema Rechtsradikalismus.

In einem Interview musste sie eingestehen, dass sie die Geschehnisse wie die Hetzjagd in Chemnitz leider nicht überrascht haben.Natürlich war auch sie entsetzt und verurteilt diese Gewaltausbrüche.

Die Forscherin hat bereits mehrere Jahre ähnlich gelagerte Fälle untersucht. Doch bisher gingen die von kleinen, sehr gewalttätigen Gruppen aus. Der Fall in Chemnitz zeigt ihr jedoch, „dass es eine rassistische Radikalisierung, die gesellschaftliche Spannungen noch zugenommen haben und weitere Gewalttaten denkbar sind.“

Wo bleibt hier die Politik und ihr Gewaltmonopol?

Ein Rechtsstaat muss sein Gewaltmonopol durchsetzen. Daran führt kein Weg vorbei. Gerade in Sachsen ist auf dem Gebiet politisch lange Zeit zu viel schiefgelaufen. Britta Schellenberg wirft der Landespolitik in diesem Punkt große Versäumnisse und die Verleugnung eines ansteigenden Rechtsextremismus vor. Angefangen von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, der vor mehr als zehn Jahren behauptete, es gebe in Sachsen keinen Rechtsextremismus. Statt hier sofort zu handeln, wurde das Problem damals einfach geleugnet. Und trotz der jetzt aktuellen Offensichtlichkeit fehlt der Regierungspolitik noch immer der Mut, das Problem jetzt und gezielt anzugehen.

Andere Bundesländer haben bereits Strategien entwickelt

In einigen anderen Bundesländern reagieren Polizei und andere betroffene Behörden sehr aufmerksam und kritisch auf solche Vorfälle. Sie haben Strategien entwickelt, die alle Menschen gleichsam schützen, Gewalteskalationen verhindern und das Gewaltmonopol des Staates klarstellen. Wichtig war Britta Schellenberg daher auch, dass die Bundesregierung umgehend die Ausschreitungen in Chemnitz klar und deutlich verurteilt hat.

Regionalpolitik und Lokalmedien reden ihre eigene Sprache

Doch wirft die Forscherin ein, dass gerade in Sachsen die lokalen und regionalen Behörden und Medien nach solchen Gewalttaten anders reden als die Bundesregierung und überregionale Medien. „Während die Bundeskanzlerin den Fall verurteilt, lavieren sächsische Machtinstanzen herum und verurteilen zunächst nicht eindeutig die rassistischen Gewalttäter.“ Das verunsichert die Menschen dort und sie fühlen sich von der Bundesregierung und vielen Medien nicht verstanden und vorverurteilt. Sie fühlen ihre lokale, regionale, oft auch ostdeutsche Identität angegriffen. So verhärten sich die Fronten noch mehr und verhindern eine echte Auseinandersetzung darüber, was wirklich geschehen ist und warum Gewalt und „Selbstjustiz“ zu verurteilen ist.

Auch in der Polizei findet sich rechtes Gedankengut

Dazu kommt, dass auch Polizeibeamte in Sachsen mit rechtem Gedankengut sympathisieren. Manche Polizisten orientierten sich nicht zuerst am Grundgesetz und an geltendem Recht, sondern glaubten, die Mehrheit auf der Straße setze die Regeln. So auch im Fall der ZDF-Journalisten, als Polizisten Polizei das ZDF-Team etwa 45 Minuten von ihrer Arbeit abgehalten hat, als sie über eine Pegida-Demonstration in Dresden berichten wollten. Wenn daraus folgt, dass Politik und Polizei eher Selbstjustiz auf der Straße zulässt, können Menschen zu dem Schluss kommen, solche Straftaten seien legitim und richtig. Was die Gewaltspirale noch weiter nach oben treibt.

Wie kann man Menschen (wieder-) gewinnen, sich für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit zu begeistern und dafür zu kämpfen?

Schellenberg nennt zuerst zwei Dinge: ein klarer, starker Staat und eine klare, starke Normenorientierung der staatlichen Institutionen. Doch das allein reicht natürlich nicht aus. „Die Stärkung von Normen wie Friedfertigkeit und Respekt fängt allerdings damit an, dass in Kitas Konfliktlösung geübt wird, dass sich Kinder in ihr Gegenüber hineinversetzen und einen Streitfall aus der Perspektive des anderen wahrnehmen. Auch in der Schule und in anderen Institutionen sollte der Umgang mit Aggressionen und die Achtung des Gegenübers geübt werden. Jeder Mensch hat Aggressionen, auch jeder Polizist hat Aggressionen. Die Frage ist, ob man gelernt hat, mit ihnen umzugehen.“

Was kann die Mediation dazu beitragen, um Menschen (wieder) für unsere Gesellschaft zu begeistern?

Hier sind auch wir Mediatoren ganz besonders angesprochen und gefragt. Wie können wir mit unseren Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit unseren Werkzeugen und unsere Haltung dazu beitragen, Menschen für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft (zurück-) zu gewinnen? Wir freuen uns über Ihre Ideen, Anmerkungen und Kommentare.

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsradikalismus-forscherin-ein-klarer-starker-staat-ist-wichtig/22968286.html

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