In Interviews wurden die Mediatorin Sosan Azad und der Mediator Dominic Frohn als Kommunikations- und Verhandlungsexperten zu den Jamaika-Verhandlungen befragt.
Sosan Azad sprach mit Lars Langenau von der Süddeutschen Zeitung kurz vor Abbruch durch die FDP.
Thema: Können sich Grüne und CSU zusammenraufen? Und wieso dauert das so lange? Sozan Azad, Vorsitzende des Bundesverbandes Mediation, über die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition.
Für sie war die Dauer der Jamaika-Verhandlungen mehr als angemessen, da sich Parteien zusammenfinden mussten, die einige Jahre fast immer gegeneinander gearbeitet haben – mit unterschiedlicher Kultur, Philosophie und politischem Denken. Zudem gab es vor der Wahl bei keiner Partei einen Plan B, der eine Jamaika-Koalition vorgedacht hätte.
Als Konfliktmanagerin rät sie, sich bei schwierigen Verhandlungen erst einmal gemeinsam Handschuhe einkaufen zu gehen, bevor man zusammen heiße Eisen anfasst. Es sollten erst einmal ein paar leichtere Sachen angepackt werden, bevor man ans Eingemachte geht. Es andersrum zu machen, sei Ausdruck einer Kampfstrategie.
Zum strittigsten Thema, dem Familiennachzug geduldeter Flüchtlinge kann sie sich aufgrund ihrer eigenen Geschichte nicht unparteiisch äußern, da sie selbst mit 17 als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland kam und weiß, wie man zunächst als Geflüchteter, dann als Migrant und dann als Deutsche mit Migrationshintergrund behandelt wird. Wenn man Geflüchtete zu Menschen machen will, die Teilhabe am Leben in Deutschland haben sollen, dann brauchten diese Menschen neben dem praktischen Halt wie Unterkunft, Job, eigenes Geld, auch einen emotionalen Halt – und den können sie in der Familie finden.
Viele junge syrische Männer mit denen sie geredet hat, sagen ihr, dass sie es kaum aushalten, dass ihre Schwester oder Mutter noch in Syrien oder der Türkei sind. Sie können sich hier auf nichts konzentrieren, weil die Zukunft ihrer Familie so vollkommen ungeklärt ist. Zudem gibt es auch viele geflüchtete Kinder hier, denen ihre Eltern unendlich fehlen.
Das vollständige Interview mit Sosan Azad in der Süddeutschen Zeitung lesen Sie >> hier
Der Mediator Dominic Frohn sprach mit Dominik Reinle vom WDR
Sein Fazit nach dem Jamaika-Aus: Die Parteien haben zu stark nur ihre eigene Position im Blick gehabt.
Das Aus erklärt Dominic Frohn damit, dass es den Verhandlungspartnern lange nicht gelungen sei, aus dem Wahlkampfmodus in den Modus konstruktiver Verhandlungen zu wechseln und es einen zu starken Fokus auf individuelle Positionen gab, statt sich auf die dahinter liegenden Interessen zu konzentrieren. Denn in den Interessen finden sich fast immer Gemeinsamkeiten, die zu neuen Lösungen führen können.
Beispiel Soli: Das gemeinsame Interesse sei die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Die konkrete Position war: Bis zum Zeitpunkt X muss der Soli abgeschafft werden.
Der kurzfristige Abbruch der Verhandlungen weist seiner Einschätzung nach auf Verhärtungen hin. Notwendig wäre gewesen, stattdessen zentrale Gemeinsamkeiten zu finden, die die vier Verhandlungspartner verbinden. Zum Beispiel, die gemeinsame Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu tragen oder sich gegen Rechtspopulismus zu positionieren.
In der Einschaltung des Bundespräsidenten sieht Dominik Frohn eine letzte Chance, die Jamaika-Verhandlungspartner noch mal an einen Tisch zu bringen. Er kann an die Verantwortung der Beteiligten appellieren und mit ihnen prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, auf den zugrunde liegenden gemeinsamen Interessen zu einer Einigung zu kommen.
Die Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme von Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition hält er für deutlich geringer.
Das vollständige Interview mit Dominic Frohn in den WDR-Nachrichten lesen Sie >> hier
Quellen:
Süddeutsche Zeitung: Mediatorin über Sondierungsgespräche “Angst macht dumm”, 18. November 2017
WDR-Nachrichten: Psychologe: Grundlegende Fehler bei Sondierung, 21.11.2017