Strategem 16: Harte Hunde brauchen lange Leinen

Wie fahren Sie das beste Verhandlungsergebnis ein, wenn Ihr Verhandlungspartner das Etikett „harter Hund“ trägt? Bauen Sie bei Ihrem Gegenüber Druck auf in der Hoffnung, dass seine Verhandlungsstrategie zusammenbricht? Vorsicht! Das massive Unterdrucksetzen eines harten Hundes birgt das Risiko, dass dieser seine maximalen Reserven mobilisiert, Widerstand leistet und sich noch stärker in die Leine hängt. Ist diese gerissen, avanciert eine konstruktive Verhandlung zum Ding der Unmöglichkeit.

Das Ergebnis einer Verhandlung hängt maßgeblich von zwei zentralen Motiven ab: dem Selbstbehauptungsmotiv und dem Unterstützungs- und Kooperationsmotiv (Pruitt / Carnevale 1993). Nur bei Ausprägung beider Motive (hohes Maß an Eigeninteresse hinsichtlich des Verhandlungsergebnisses sowie ein vermehrtes Interesse, eine intakte Beziehung zum Verhandlungspartner zu sichern) kann ein Verhandlungsergebnis erzielt werden, aus dem beide Parteien als Sieger hervorgehen. Harte Hunde zeichnen sich jedoch für gewöhnlich dadurch aus, dass sie nur der Fährte des Eigeninteresses folgen – und genau das können Sie sich zunutze machen! Eine alte chinesische Weisheit besagt: „Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen.“

Warum also nicht einfach mal die Leine länger lassen, indem Sie sich von Ihren eigenen starken Interessen oder distributiven Verhandlungstechniken lösen und Ihrem Verhandlungspartner den Vortritt gewähren? Was sind seine Interessen und was steckt dahinter? Lassen Sie ihn erläutern, was ihn umtreibt. Damit er Sie mit seiner langen Leine jedoch nicht einwickelt und handlungsunfähig macht, sollten Sie darauf achten, nach geraumer Zeit wieder kürzer zu fassen, und Ihre eigenen Interessen in den Vordergrund rücken. Die Tatsache, dass beide Parteien nun ausreichend Raum hatten, sich mitzuteilen, ermöglicht häufig ein Verhandlungsergebnis, welches für beide Seiten zufriedenstellend ist. Womöglich hat man durch die Fülle an Informationen auch schon automatisch den (Hunde-) Kuchen vergrößert. Das optimale Gleichgewicht zwischen Eigeninteresse und Unterstützung ist so manches Mal vor allem eine Sache des Timings.

Und was können Sie tun, wenn Ihr Verhandlungspartner sich etwa aufgrund seiner ausgeprägten „Anti-alles-Haltung“ bei Ihnen einen Namen gemacht hat? Dann fragen Sie ihn doch einmal, wie eine Lösung nach seinem Dafürhalten aussähe. Gerät er dann ins Schwanken, werden Sie feststellen: Hunde, die bellen, beißen nicht – und ohne Gekläffe lässt sich schließlich besser verhandeln.

Weiter zum Thema auch der Artikel „Von Kim Jong Un lernen oder Die Kunst, mit Strategemen Politik zu gestalten“ von Adrian Schweizer in der Q4-2018 Ausgabe „Schuld und Verantwortung“, S. 19–21.

Zur Autorin: Wie bereits in den vergangenen Jahren erhält die nächste Generation von Verhandlungsführern und Mediatoren die Möglichkeit, kreative Ideen, Entdeckungen und Hinweise in Kürze vorzustellen. In dieser Runde der Nachwuchsseite präsentieren Teilnehmer des Master-Kurses „Verhandlung und Konfliktmanagement“ der Universität Münster ihre Interpretation der „Sechsunddreißig Strategeme“ in Bezug auf Verhandlung und Mediation. Hier ein Beitrag der Studentin Alina Meyerdiercks.

Pruitt, Dean / Carnevale, Peter J. (1993): Negotiation in Social Conflict. Pacific Groves, CA: Thomson Brooks / Cole Publishers.

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