Das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (Speyer) brachte in diesem Monat den mehr als 200 Seiten starken Bericht über die Entwicklung der Mediation in Deutschland heraus. Dieser Evaluationsbericht wurde durch das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen des im Jahre 2012 erlassenen Mediationsgesetzes zu ermitteln. Neben einer Analyse juristischer Dokumente, leistet der Forschungsbericht vor allem die Zusammenstellung und Auswertung empirischer Daten zum Berufsfeld der Mediation.
Dazu entwickelte das Speyer Institut eine Onlinebefragung, welche über die Mediationsverbände, sowie über Online-Plattformen und Informationsflyern bei Fachtagungen publik gemacht wurden. Es nahmen insgesamt 1.244 Mediatoren an der Befragung teil. 82% der Befragten (1.019) sind in einem Verband oder einer vergleichbaren Institution organisiert. Interessant ist auch, dass 19% (192) der Antwortenden erst seit weniger als zwei Jahren als Mediator tätig waren und weitere 25% (253) seit zwei bis vier Jahren in dem Bereich der Mediation beschäftigt sind. Leider ergibt sich aus dem Datenmaterial nicht die die Zahl der insgesamt angefragten Mediatoren und dementsprechend konnte keine Rücklaufquote ermittelt werden. Auch fehlen belastbare Daten zu der Anzahl der ausgebildeten Mediatoren in Deutschland[1] und so kann die Anzahl der Teilnehmer der vorliegenden Studie unterschiedlich bewertet werden.
Ergebnisse
Ein Ergebnis der Umfrage ist, dass zwei Drittel der befragten Mediatoren (67%) im Jahre 2016 weniger als 5 oder gar keine Mediation (13%) durchgeführt haben. Rund die Hälfte aller Mediationen wurden dabei innerhalb von Organisationen[2] durchgeführt. Nach Schätzungen liegt die Zahl der durchgeführten Mediationen zwischen 7.000 und 8.500 im Jahr. Laut Angaben der Studienteilnehmer wird die Ausübung der Mediation zumeist als Nebentätigkeit ausgeführt und ca. ein Viertel aller Mediatoren sind zusätzlich in der Mediations-Aus und Fortbildung tätig. Rund 60% der Befragten sind über die geringe Bekanntheit der Mediation in der Öffentlichkeit unzufrieden. Die Verfasser der Studie halten fest, dass die Nachfrage für Mediation in Relation zur Anzahl der Mediatoren zu gering ist. Dies wird zum einen an der geringen Bekanntheit und geringen Nachfrage aus der Bevölkerung festgemacht. Zum anderen berichten die befragten Mediatoren aber auch von einem hohen Konkurrenzdruck durch die „Telefonmediation“, welche häufig von Rechtsschutzversicherungen angeboten wird. Die Erfahrungen bei dieser Form der Mediation – wobei sich die Experten uneinig sind, ob es sich bei diesem Verfahren tatsächlich um eine Mediation handelt – konnten nicht in die Studie mit einbezogen werden[3].
“Situationsbezogenes Abweichen vom formellen mediationsverfahren führt häufiger zu einer Konfliktlösung”
Auch wird in dem Bericht eingeräumt, dass es nicht gelang eine ausreichende Datenmenge zu generieren, um auch die Sichtweise der Medianden auf durchgeführte Mediationen in Erfahrung zu bringen. So können die Bewertungen der Mediationsergebnisse auch nur aus Sicht der beteiligten Mediatoren wiedergegeben werden. Hier zeigen die Zahlen, dass es zwar sehr häufig (76%) zu einer Abschlussvereinbarung kommt, die Beendigung des Konflikts aber bei 34% der Mediatoren selten oder nie erreicht wurde. Darüber hinaus konnte ermittelt werden, dass diejenigen, die situationsbezogen vom formellen Mediationsverfahren abweichen, häufiger zu einer Konfliktlösung finden. Für die Gründe, warum ein „formelles Verfahren“ seltener eine Konfliktlösung erzielt, lassen sich in der Studie nur Hypothesen finden.[4]
Bei der Beurteilung des Mediationsgesetzes durch die Mediatoren ist interessant, dass die Mediatoren mit einem hohen Gesamteinkommen im Bereich der Mediation grundsätzlich positiver gegenüber dem Gesetz eingestellt sind. Rund 70% der Befragten schrieben dem Mediationsgesetz allerdings „keine spürbaren Auswirkungen“ zu.
Auch die Zertifizierte Mediatoren Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) ist relativ bekannt unter Mediatoren (75%), wird aber im Hinblick auf bessere Berufs- und Einkommenschancen eher skeptisch betrachtet. Das bedeutet, dass eine bundesweit einheitliche Zertifizierung als wenig aussagekräftig für potentielle Medianden gesehen wird.
Dem Instrument der Mediationskostenerstattung werden seitens der Mediatoren die größten Erwartungen entgegengebracht. So schätzen 43% von 742 Antwortenden dass „zu hohe Kosten“ häufiger zu einem Nichtstattfinden der Mediation beitragen. Bedenken über die Vollstreckbarkeit der Mediationsvereinbarung spielen eher keine Rolle.
Allerdings raten die Autoren der Studie derzeit von einer Mediationskostenhilfe ab. Grund dafür ist zum einen die Skepsis, ob es bei einer Unterstützung der Kosten tatsächlich zu mehr Mediationen kommen würde. Außerdem seien juristisch noch zahlreiche Fragen unbeantwortet, um eine solche Kostenhilfe einzuführen[5]. Dabei wird mehrmals auf das Berliner Pilotprojekt zur Mediationskostenhilfe verwiesen, das seit 2016 läuft und eventuell neue Erkenntnisse zu diesen Fragen liefern könnte.
Fazit
Insgesamt liefert der Evaluationsbericht einen ersten Überblick über den aktuellen Zustand des Berufsfeldes der Mediation aus Sicht ausgebildeter Mediatoren und juristischer Fachbeiträge. Dass die Zahlen der durchgeführten Mediationen seit 2014 in einem niedrigen Bereich zu stagnieren scheinen, verweist wohl auf die größten Herausforderungen des Mediationsmarktes: die Bekanntheit der Mediation. Um es mit den Worten des Justizministers Heiko Maas etwas positiver zu formulieren: „Die Studie zeigt: Mediation wird in Deutschland in ganz unterschiedlichen Bereichen erfolgreich als Mittel der Konfliktbeilegung eingesetzt. Deutlich wird aber auch, dass das Potential der Mediation noch nicht ausgeschöpft ist.“[6] Es bleibt also noch einiges zu tun, um die Mediation in Deutschland weiter voran zu bringen. Der Evaluationsbericht liefert erste Anhaltspunkte, weitere Forschungsprojekte mit ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen sollten folgen.
[1] Schätzungen schwanken zwischen 7.500 und 70.000 ausgebildeten Mediatoren.
[2] Unternehmen (26%), Organisationen/Wirtschaft (12%), Gesundheitswesen (6%), Kirche (5%) und öffentlicher Bereich (4%)
[3] Als Gründe dafür werden der Datenschutz, die Reorganisation von Unternehmen, sowie eine bereits stattfindende Befragung zur Zertifizierung der Versicherungen angegeben.
[4] Hier wird auf eine Projektreihe der Deutschen Stiftung für Mediation mit Namen GANDALF die im April 2016 startete, aber noch nicht abgeschlossen ist.
[5] Welche Fälle sind „mediationsgeeignet“? Wann gilt eine Mediation als erfolgreich? Wie kann die Mediationsbereichtschaft der Gegenseite festgestellt werden? etc.
[6] Quelle: BMJV-Pressebericht vom 19.07.2017
Judith Pfützenreuter