Konfliktmanagement ≠ Konfliktlösung

Auf die Frage „Wie kocht man?“, sollten Sie von einem Koch keine ernsthafte Antwort erwarten. Sie können ihn über die Vorteile des Rückwärtsgarens von Rindfleisch befragen, mit ihm über die fantastischen Nährwerte der Linse schwärmen oder ihn bitten, Ihnen das Handwerk der Soßenbindung zu erklären, aber die Frage „Wie kocht man?“ ist schlicht zu pauschal, um in einen guten Dialog einzusteigen.

Ähnlich verhält es sich mit Beiträgen zum Konfliktmanagement in Organisationen. Zu allgemein und zu unspezifisch, um eine konkrete und leckere kolumnistische Speise daraus zu bereiten. Dies wird deutlich, wenn man sich die gängigen Artikel, die sich mit dem Wort Konfliktmanagement in der Überschrift schmücken, etwas genauer anschaut. Schnell fällt auf, dass diese Artikel immer dieselben Zutaten in ähnlicher Reihenfolge enthalten.

kontliktmanagement - konfliktlösung

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Die „Zutaten“ für Konfliktmanagement

Es beginnt mit dem Hinweis, dass Konfliktmanagement ein echtes Topthema sei, denn Konflikte kosten Betriebe x Milliarden jedes Jahr und der durchschnittliche Manager verbringt mindestens x Prozent seiner Zeit mit der Bewältigung von Konflikten. Außerdem werden Sie erfahren, dass es Ziel-, Ressourcen- und Rollenkonflikte gibt, die zwischen Personen, Gruppen und Organisationen ausgetragen werden. Manche Artikel erklären den Unterschied zwischen heißen und kalten Konflikten und stellen Ihnen unbefriedigte Bedürfnisse der Mitarbeiter als zentrale Ursache von Konflikten vor. Die Schlagwörter win-win, win-lose und lose-lose werden den drei Hauptphasen der Konflikteskalation zugeordnet, und über die Existenz der Konflikttypen (kompromissorientiert, Konfliktflüchter, nachgiebig, Wettstreiter und integrativ) erklärt man Ihnen höchstwahrscheinlich auch etwas.

Anstatt Ihnen nun den hundertsten Beitrag zum Thema Konfliktmanagement mit denselben Zutaten, im selben Mantra zu präsentieren, möchte ich Ihnen nur einen einzigen Hinweis mit auf den Weg geben, der in diesen Artikeln oft nicht klar genug differenziert wird, aber das Salz in der Suppe sein kann, wenn man ihn verinnerlicht: Konfliktmanagement und Konfliktlösung sind keine austauschbaren Terme!

Konfliktmanagement ≠ Konfliktlösung

Während die Konfliktlösung ein Vorgang ist, der sich auf einen konkreten Sachverhalt bzw. Konflikt bezieht, ist das Konfliktmanagement in Organisationen eine konstante Tätigkeit, die Konflikte systematisch aufspürt und identifiziert, um anschließend ein Umfeld zu schaffen, das den Umgang mit Konflikten interessenorientiert und ressourcenschonend organisiert. Konfliktmanagement beruht auf der Annahme, dass Konflikte und Spannungen natürliche Prozesse in Gruppen und zwischen Individuen sind. Es bezieht sich folglich auf ein Kontinuum und nicht auf die Summe singulärer Events.

Im Gegensatz zum Konfliktmanagement, bei dem im Vordergrund steht, die innerbetrieblichen Spannungen für die Organisation nutzbar zu machen, beschäftigt sich die betriebliche Konfliktlösung mit der Schadensabwehr. Somit ist es schließlich die Frage der Handlungsmotivation, die die beiden Verfahren voneinander trennt und unterscheidet. Bildlich gesprochen versucht das Konfliktmanagement von null auf eins zu kommen, und die Konfliktlösung widmet sich der Aufgabe, nicht von null auf minus eins abzurutschen. Im Sinnbild des Koches: Konfliktlösung beschäftigt sich mit dem Hungerstillen und Konfliktmanagement mit dem kompletten Spektrum der Hauswirtschaft vom Einkauf bis zum Abwasch.

Der Wirtschaftsnobelpreis

Ein gutes Beispiel für die Herangehensweise und Motivation des Konfliktmanagements stellt der letztjährige Wirtschaftsnobelpreis für Oliver Hart und Bengt Holmström dar. Das Nobelkomitee zeichnete die beiden Ökonomen für ihre Analysen rund um das Thema Vertragsdesign aus. Mit ihrer Arbeit leisten die beiden Forscher einen Beitrag zum Verständnis, wie Verträge widerstreitende Interessen kanalisieren können: Im Konkreten geht es dabei um die Frage, wie Managerverträge gestaltet sein sollten, warum der Selbstbehalt bei Kfz-Versicherungen für beide Vertragsparteien sinnvoll ist und wieso Vertragsabschlüsse mit ungleich gewichteter Informationsverteilung oft scheitern.

Der Fokus liegt hierbei nicht auf der Lösung von bestehenden Konflikten, sondern auf dem Transfer von klassischen Konfliktkonstellationen und Konfliktgeschichte, um zukünftige Interessenskonflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen. In ähnlicher Manier analysiert ein gutes Konfliktmanagement die Herkunft und Ressourcen vergangener Auseinandersetzungen und implementiert darauf basierend zukünftige Verfahren, um die Interessen und Ressourcen der Mitarbeiter und Organe für das Unternehmen nutzbar zu machen.

Mediation à la Bob Dylan und Rolling Stones

Wenn wir schon beim Thema Nobelpreise sind, muss natürlich noch der Literaturnobelpreis erwähnt werden, denn der letztjährige Preis stellt sicherlich kein gutes Beispiel für das Best Practice des Konfliktmanagements dar (was das Genie von Bob Dylan nicht schmälert). Finden Sie nicht auch, dass Bob Dylan den Hörer mit Texten wie

Yes, and how many times must the cannon balls fly,
Before they’re forever banned?
The answer, my friend, is blowin’ in the wind.
The answer is blowin’ in the wind.

eher ratlos zurücklässt? Deswegen wäre im Sinne der Mediation der diesjährige Literaturnobelpreis viel besser bei den Rolling Stones aufgehoben gewesen. Schließlich hat die englische Band schon 1969 auf die Wichtigkeit der Bedürfnisorientierung hingewiesen, wenn Sie postuliert:

You can’t always get what you want,
But if you try sometime – you find,
You get what you need.

Im Sinne der stoneschen Lyrik wünsche ich Ihnen ein gutes Jahr 2017 und die Dinge, die Sie wirklich brauchen. Alles Gute!

von Klaus Harnack

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