Stellen Sie sich vor, Sie bringen Ihr Auto in Ihre Stammwerkstatt zur Inspektion und setzen sich das Ziel, im Zuge dessen auch einen kostenlosen Reifenwechsel zu bekommen. Statt direkt nach diesem zusätzlichen Service zu fragen, bitten Sie als langjähriger Kunde um einen Rabatt für die Inspektion. Dabei wird sich wahrscheinlich herausstellen, dass die Werkstatt das primäre Interesse verfolgt, den vollen Preis für die Inspektion zu erhalten, und deshalb keinen Rabatt gewähren wird. Sie machen nun nochmals deutlich, dass Sie nicht den vollen Preis zahlen möchten, und erzeugen mit dieser offenen und bewusst irreführenden Forderung bei der Werkstatt eine falsche Vorstellung Ihres scheinbar gegensätzlichen Interesses.
Um Verhandlungen auf der internationalen Bühne bestmöglich zu führen, reicht das Wissen um die reine Existenz von kulturellen Unterschieden nicht aus, sondern man sollte damit vertraut sein, wie sich diese kulturellen Unterschiede niederschlagen. In ihrem Buch Strategien für die deutsch-chinesische Geschäftsbeziehung: Erfolgreich verhandeln und Konflikte lösen stellen die Autoren Micholka-Metsch und Metsch einige kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen dar und zeigen deren Widersprüche bezogen auf den Verhandlungskontext auf.
„Du wolltest dich schon vor einer Woche darum kümmern!“, „Du bist immer so aggressiv!“ – Sätze wie diese fallen bei Streitereien häufiger. Aber helfen sie dabei, den Konflikt zu begrenzen? Nein! Im Rahmen des Harvard-Konzepts wurde eine Perspektive entwickelt, die darauf fokussiert, sich in die gegnerische Position hineinzuversetzen. Dies beugt pauschalen Vorverurteilungen der Person oder ihres Standpunktes vor (Fisher / Ury, zitiert nach Rüttinger / Sauer 2016). Um der anderen Partei dabei zu helfen, meinen Standpunkt zu verstehen, sollten Ich-Botschaften verwendet werden. Sätze wie „Du hast Unrecht!“ schüren ein größeres Konfliktpotenzial als selbstkundgebende Formulierungen wie „Das sehe ich anders!“ Eine Idee als „Schwachsinn“ abzutun ist weniger geeignet als zu entgegnen: „Mir ist unwohl dabei, das so zu machen!“
„Größer, schneller, weiter“ war lange Zeit der Maßstab für ein glückliches Leben. Das dies nicht unbedingt der Fall ist, zeigen die letzten Jahre. Immer mehr, vor allem junge Menschen, wenden sich vom Konsumzwang ab. Riesige Häuser, die den Nachbarn imponieren sollen oder ein noch schnelleres Auto in der Garage, diese materiellen Dinge rücken immer mehr in den Hintergrund. An Wichtigkeit gewinnt die persönliche Freiheit und ein stressfreies und erfülltes Leben.
Menschen mit ähnlichen Charaktereigenschaften und Interessen kommen besonders gut miteinander aus und führen positivere Beziehungen – ein Paradigma, das auch für Verhandlungen gilt?